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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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jetzt zu hören.
    Katharina holte Luft, es kam ihr vor, als sei es zum ersten Mal seit Stunden. Ihr gesamter Brustkorb schmerzte, und ihre Augen brannten. Sie griff sich an die Wangen.
    Noch immer keine Tränen.
    Richard war sich nicht ganz sicher, ob seine Entscheidung, Jörg Zeuner Pömers Empfehlungsschreiben vorzuenthalten, eine gute Idee gewesen war. Zeuner hatte ihm nicht besonders viel über den Mordfall verraten, aber immerhin hatte Richard aus ihm herausbekommen, dass der Verdächtige, den sie eingesperrt hatten, ein Mann namens Faro Jorges, mit einem blutigen Messer in der Hand neben der Leiche gefunden worden war. Und dass er offenbar über seiner Tat den Verstand verloren hatte.
    Die Art und Weise, wie Zeuner geschaut hatte, als er von Jorges’ Wahnsinn sprach, hatte Richard neugierig gemacht, und so hatte er Pömers Schreiben genutzt, um sich Einlass ins Lochgefängnis zu verschaffen und einen Blick auf den Verdächtigen zu werfen.
    Jetzt, da Richard aus dem düsteren Loch zurück in die Sonne kehrte und wieder frische Luft atmete, blieb er auf halbem Weg zwischen Rathaus und dem Chor der Sebalduskirche stehen und schauderte. Jorges’ Anblick war nur schwer auszuhalten gewesen.
    Richard reckte sich, und dabei fiel sein Blick auf seine eigenen Hände. Sie zitterten, ganz wenig nur; so wenig, dass er sich einreden konnte, er bilde es sich ein.
    Unschlüssig, was er nun tun sollte, starrte er an der Fassade von St. Sebald hinauf. Von seinem Standpunkt aus konnte man nur Teile des Holzgerüstes erkennen, das sich um die beiden Türme über dem Westchor in die Höhe wand. Man war dabei, die beiden Türme der Kirche aufzustocken. Weit oben auf den schmalen Holzplanken liefen die Bauleute herum und wirkten von hier unten winzig. Eine einzelne Taube landete auf dem Geländer einer der unteren Plattformen, flatterte aber wieder auf, als sie einer der Steinmetze mit wütender Geste verscheuchte. Ihr Flug führte sie über das Dach des Hauptschiffes hinweg und direkt über Richards Kopf. Er duckte sich.
    Im nächsten Moment wurde er unsanft angerempelt.
    Er wollte schon ein unfreundliches Wort fallenlassen, als er sah, wer da in ihn hineingelaufen war. Es war die junge Frau, die er kurz zuvor im Lochgefängnis gesehen hatte.
    »Verzeiht!«, murmelte sie mit gesenktem Kopf und einem feinen roten Schimmer auf den Wangen. Schon wollte sie an ihm vorbeihuschen, doch einer Eingebung folgend, hielt Richard sie am Arm fest.
    »Wartet!«
    Sie zuckte so erschrocken zusammen, dass er sie rasch wieder losließ. Jetzt war es an ihm, um Verzeihung zu bitten. »Ich wollte Euch nicht ängstigen«, sagte er. »Es ist nur ... ich sah Euch eben dort unten im Loch.«
    Jetzt blickte sie zum ersten Mal in sein Gesicht, und Wiedererkennen blitzte in ihren Augen auf. Sie hatte interessante Augen, von einem hellen Rauchblau, das die Farbe wechselte, als der Schatten seines Kopfes auf sie fiel. Die blonden Haare hatte sie gescheitelt und zu einer Frisur geschlungen, die eher locker als kunstvoll aussah und von einem Witwenschleier aus schwarzem Samt nur unzureichend bedeckt wurde. Sie war noch recht jung. Viel zu jung, als dass ihr das schwarze Kleid gut stand, das sie trug.
    »Ihr wart bei Faro«, sagte sie. Sie sprach leise, und ihre Stimme hatte etwas Müdes, Schleppendes an sich.
    »Faro. Ja.« Mit einem Mal fühlte er sich unbeholfen. Er wollte ihr sagen, dass er im Auftrag eines Stadtrates hier war, aber die passenden Worte wollten ihm nicht in den Sinn kommen. Am Ende war sie es, die als Erste wieder sprach.
    »Kennt Ihr ihn? Sebald sagte mir, einer der Bürgermeister hätte Euch geschickt.«
    Richard neigte den Kopf ein wenig. »So ist es. Und Ihr? Warum wart Ihr dort unten?«
    »Er war der Freund meines Bruders.«
    Richard schaute in die rauchblauen Augen. »War?«, fragte er.
    Sie senkte den Blick. »Mein Bruder ist tot.« Sie verkrampfte die Hände in den Falten ihres Rockes.
    »Das tut mir leid.«
    »Ja. Mir auch.« Sie wollte sich an ihm vorbeidrängen.
    Er durfte sie nicht gehen lassen. Diese Frau kannte den Gefangenen, vielleicht konnte sie ihm helfen, an Wissen zu gelangen, das er an Pömer weitergeben konnte. »Verzeiht, aber ich muss demnächst Mitteilung machen, und ich weiß noch so gut wie gar nichts.« Er hob die Achseln. Seine unausgesprochene Frage war ihm unangenehm.
    Für einen Moment wirkte sie abwesend, ihre Augen verschleierten sich. Dann öffnete sie die Lippen ein wenig. Es war eine winzige Bewegung, aber

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