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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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willst.«
    »Kann ich D-Mark haben?«
    »Kannst du schon, empfehle ich dir aber nicht. Devisen sind sehr teuer momentan, und du verdienst noch immer an der türkischen Lira. Wenn es so weit ist, steigen wir sowieso auf Devisen um.«
    »Ich will ja nicht alles umtauschen, mir reichen 500 Mark.«
    »Was willst du damit?«
    »Ich hab da was vor. Kann ich am Nachmittag zur Bank?«
    »Ja, so ab zwei.«
    Dann rief ich meine Mutter und Filiz an. Meine Mutter freute sich riesig. Ich war sicher, dass sie von der Zeitung selbst schon ein paar Exemplare gekauft und bei den Nachbarn herumgezeigt hatte. Ahmets Worte wurden lobend erwähnt, doch ohne Überschwang. Jedenfalls ging es meinen Eltern wieder besser.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert dein Vater ist. Er hat nicht mehr geschlafen und ist immer nur im Wohnzimmerauf und ab gegangen. Obwohl, geglaubt hatte er die Sache sowieso nicht.«
    Dass ich entlassen worden war, sagte ich ihr nicht.
    Filiz hingegen hatte das schon mitbekommen.
    »Tut mir furchtbar leid«, sagte sie.
    »Das braucht dir nicht leid zu tun. Ich finde, es hat was Gutes.«
    »Wieso?«
    »Es ist eine Chance für einen Neuanfang. Es muss doch im Leben was Interessanteres geben, als jahraus, jahrein die Zeitungen zu durchforsten, ob irgendwas über den Rektor drinsteht.«
    »Also eine neue Arbeit?«
    »Ein neues Leben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, ein bunteres, sinnvolleres Leben. Das finde ich total spannend, begreifst du das?«
    »Ehrlich gesagt nein.«
    »Am besten, wir treffen uns mal, dann erklär ich dir alles.«
    Während ich in der Kälte auf das Einkaufszentrum zumarschierte, in dem sich das S-Café befand, spürte ich meine Kraft und meine Entschlossenheit ständig wachsen. Das Gefühl der Hilflosigkeit, dem ich anfangs verfallen war, hatte sich verflüchtigt. Dass ich im Taxi geweint hatte, daran wollte ich gar nicht mehr denken.
    Ich sah Ahmet schon dasitzen. Er stand auf und begrüßte mich in seiner ganzen künstlichen Art. Dabei hatte ich noch gehofft, ohne seinen Vater in der Nähe würde er zu dem Ahmet werden, den ich von dem Zeitungsfoto kannte.
    »Sag mal, war das alles ehrlich gemeint, da in der Zeitung?«
    Irritiert sah er mich an. Das war wieder die gleiche Mimik, mit der er mich zur Weißglut bringen konnte.
    »Warum hast du mich am Telefon dann so angeschrien, wegen einer total erfundenen Geschichte?«
    »Das war einfach eine spontane Reaktion.«
    »Na ja. Pass auf, hör mir jetzt gut zu.«
    »Was trinkst du?«
    »Gar nichts. Du hörst mir jetzt fünf Minuten zu, und dann gehe ich wieder.«
    Meine Entschlossenheit schien ihm zu imponieren.
    »Die haben mich entlassen.«
    »Was? Wann denn?«
    »Gestern.«
    »Wegen der Sache?«
    »Ja. Wegen einer Verleumdung.«
    »Das tut mir leid.«
    »Für mich braucht es dir nicht leid zu tun, aber für dich.«
    »Warum?«
    »Weil ich keine Arbeit und kein Gehalt mehr habe. Ich bin nicht mehr in der Lage, für Kerem zu sorgen, für Schuldgeld, Kleidung, Essen, alles. Ich bin seine Mutter, aber er hat auch einen Vater.«
    »Ich soll also Unterhalt zahlen?«
    »Nein.«
    Verdutzt schob er die Unterlippe vor.
    »Um Unterhalt geht es hier nicht. Du wirst Folgendes tun: Du nimmst Kerem zu dir, kommst für ihn auf, schickst ihn morgens zur Schule, und wenn er krank ist, kümmerst du dich um ihn, und du schlägst dich mit seinen Problemen herum und fährst mit ihm in Urlaub. Und ich nehme ihn hin und wieder am Wochenende und geh mit ihm ins Kino und schenke ihm was.«
    »Aber … Wie soll ich als Mann mich denn um ihn kümmern?«
    »So wie ich es seit Jahren als Frau getan habe. Sowieso hast du keine Wahl, ich ziehe nämlich aus der Wohnung aus, und ich gehe auch weg aus Istanbul.«
    Die Panik, die Ahmet erfasste, war geradezu mit Händen zu greifen. Ich ließ ihm nicht einmal Zeit, noch weitere Fragen zu stellen.
    »Also, wenn du nicht willst, dass dein Sohn auf der Straße landet, dann holst du ihn morgen ab«, sagte ich, stand auf und ging.
    Auch ohne mich umzudrehen, wusste ich, was für ein Gesicht er nun zog, und ich lächelte selig. Jetzt saß er in der Falle. Vonmeinen Ersparnissen, die ständig anwuchsen, hatte er keine Ahnung.
    Fast freute ich mich über den Skandal und meine Entlassung. Es schälte sich eine neue Frau aus mir heraus, die es der Welt so richtig zeigen wollte. Mit energischen Schritten ging ich ins Obergeschoss, setzte mich dort in ein anderes Café und bestellte ein Sandwich. Es schmeckte hervorragend.
    Dann

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