Serum
zog durch die Diele und erfüllte sie mit der Vorahnung einer neuen Jahreszeit.
Ich spürte eine Regung im Unterleib. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und eine Welle der Schwäche ließ mich beinahe in die Knie gehen.
Seit dem Kuss am Strand wusste ich, was geschehen würde, dachte ich. Das Blut rauschte in meinen Adern, durchflutete sie mit Leben, Sauerstoff, Verheißung, Begehren.
Ich tat einen Schritt auf die Tür zu, und sie ging auf. Gabrielle stand vor mir. Sie trug einen Frotteebademantel, unter dem sie anscheinend nackt war und der über ihren Brüsten auseinanderklaffte. Irgendwo tickte eine Uhr.
Sie sagte nichts. Aber sie tat einen Schritt auf mich zu.
Kims Tür öffnete sich, und sie kam mit Hoot heraus. Beide trugen leichte Flanellschlafanzüge. Kims war blau mit kleinen, aufgedruckten gelben Affen, die dämlich grinsten.
Hoot fragte: »Warum stehen denn alle in der Diele herum? Alles okay, Chef?«
»Oh, dem geht’s gut«, meinte Kim.
Wir kehrten zurück in unsere Zimmer. Im Bett dachte ich: Morgen rede ich mit Eisner. Ich muss es riskieren.
Zum Frühstück backte Gabrielle Pfannkuchen aus einer Fertigteigmischung, während Kim Omeletts mit dicken Brocken Cheddarkäse zubereitete. Ich aß alles auf. Eisner blieb stumm. Er sah müde aus. Ich wusste, dass er wach geblieben war, für den Fall, dass ich mich aus dem Staub machen wollte. Danny musterte interessiert die Eckpunkte meines Liebesdreiecks, mich, Kim und Gabrielle. Er hatte noch Schlammspuren im Gesicht.
Nach dem Frühstück bat ich Eisner um eine Unterredung. Wir gingen weg vom Haus in den Wald hinein, außer Sichtweite der anderen. Es war so kalt, dass meine Zähne schmerzten. Im Wetterbericht hatte es geheißen, dass es in Virginia seit 196 Jahren Ende August nicht mehr so kalt gewesen sei. Der Fluss war mittlerweile komplett zugefroren.
Ich muss ihn provozieren. Ich werde seine Augen genau beobachten. Wenn ich etwas darin lese, was mir nicht gefällt, verwende ich das Bobcat als Knüppel.
»Ich habe Ihnen nicht alles gesagt, Eisner«, begann ich.
Er trat einen Schritt zurück. Er war kein Narr. »Was für eine Überraschung.«
Ich sagte ihm, dass es noch nicht gelungen war, 109 zu synthetisieren. Aber Naturetech arbeite fieberhaft daran. Dort würden wir die Beweise finden. Formeln, Proben.
»Was noch?«
Ich erzählte ihm von Alicia Dent, der Reporterin, von der ich annahm, dass sie mit 109 versorgt wurde, damit sie Dreck über einflussreiche Personen in Washington ausgrub. Sie hatte Zugang zu allen wichtigen Leuten, und während eines Interviews konnte sie fragen, was sie wollte.
Jetzt mach dich bereit, sagte ich zu mir.
Ich berichtete Eisner alles, was Schwadron mir offenbart hatte, und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Wenn er falsch reagierte, war das das Ende meiner Hoffnungen.
Aber als ich geendet hatte, starrte er mich noch einen Moment lang an, dann nickte er langsam. Er legte sein AR-15 auf einen Felsblock und trat zurück. Er breitete die Arme aus.
»Ist der Umgang mit Ihnen immer so schwierig, Mike?«
Ich legte meine Waffe neben seine. Wir spiegelten uns im Eis des Flusses. Der Himmel hing wie weißer Rauch über den Baumwipfeln.
Wir beschlossen, es sei das Beste, mit den Informationen gleich an die Presse zu gehen und Hoot auf das Internet anzusetzen, wo sie mit CBS und CNN Kontakt aufnehmen konnte. Wir wollten die Disk mit der Geschichte des Vorsitzenden an verschiedene Websites schicken – natürlich ohne die Formeln –, ans Weiße Haus, an Nachrichtenagenturen, die Blogosphäre, Senatoren … Einen Reporter der Washington Post kannte Eisner persönlich und vertraute ihm. Ein Mann namens Harris.
»Irgend jemand wird die Story bringen«, meinte ich hoffnungsvoll, während wir zum Haus zurückeilten. »Irgendjemand muss es einfach tun.«
»Wir schicken alles auf die Reise und setzen uns dann ab nach Kanada«, schlug Eisner vor. »Dann warten wir. Wenn sich der Staub gelegt hat, kehren wir wieder zurück. Dann werden Sie in Sicherheit sein.«
Hinter uns krachte ein Ast unter der Last des Eises herunter. Eisner wäre beinahe auf dem glatten Boden ausgerutscht.
Zum ersten Mal gestattete ich mir die Hoffnung, dass alles gut ausgehen könnte.
Aber als wir das Haus erreicht hatten, war wieder der Strom ausgefallen, so dass Hoot nicht ins Internet konnte. Autofahren war unmöglich. Wir mussten warten, bis sich das Wetter besserte. Um ein Uhr brannte Feuer in allen Kaminen. Um sechs Uhr war die Welt vor
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