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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Höflichkeiten. Es war möglicherweise die einzige gemeinsame Nacht, die Kim und ich je haben würden.
    »Nicht nötig«, meinte ich und trat näher. »Das haben wir auch besprochen.«
    »Da habt ihr aber eine Menge in fünf Minuten untergebracht.« Kims Stimme brach. »Ich kriege keine Luft mehr.«
    »Ich auch nicht.«
    Auf den zerknüllten Laken lag ihr burgunderfarbenes Nachthemd. Kein lustiger Pyjama heute Nacht. Der Stoff sah weich und seidig aus. Wie auf ein unbewusstes Zeichen hin begannen wir uns auszuziehen. Sie sah meine Erregung und sagte: »Weißt du, warum ich heute Nacht diese Farbe ausgesucht habe? Ich wollte, dass du zu mir kommst, und ich dachte …«, flüsterte sie und berührte mich zum ersten Mal intim, »… es hätte dieselbe Farbe wie du, da unten.«
    Wir küssten uns lange. Ihr Rücken fühlte sich schmal und warm an. Ihr nacktes Bein glitt zwischen meine, eine Liebkosung samtiger Haut. Sie sah wundervoll aus im Schein der Glut, weiß und grazil. Ihre Brüste waren voller, als ich erwartet hatte, ihr Bauch flach, die Hüften sanft geschwungen. Ich hatte noch nie nackt vor einer Frau gestanden, mit der ich zuerst befreundet gewesen war. Ich hatte immer erwartet, eine solche Begegnung würde angenehmer, aber weniger erregend sein. Überraschenderweise kam es umgekehrt. Es war, als ob etwas in mir zerspringen würde, und die lang aufgestaute Leidenschaft brach sich Bahn und trug mich mit sich hinweg. Jede Zurückhaltung fiel von uns ab. Mein Körper schien zu schmelzen. Meine ganze Lebenskraft, mein ganzes Ich konzentrierte sich mit aller Intensität auf den Punkt unserer Vereinigung. Ich empfand mehr als Glück. Es war mehr als physisch. Das Physische war nur ein Anfang.
    Mike Acela hatte sich endlich erlaubt, Liebe zu erfahren.
    Irgendwann lagen wir auf dem Bett, aber ich weiß nicht mehr, wie wir dort hinkamen. Das verlöschende Feuer knisterte. Kims Augen strahlten von innen heraus. Ich merkte, dass das Bett nicht mehr an seiner Stelle stand. Der Nachttisch war plötzlich weit entfernt und das Fenster – mit seiner Eisschicht – ganz nah.
    »Noch einmal«, sagte sie nach ein paar Minuten.
    Es heißt, beim zweiten Mal dauert es länger. Das ist falsch. Es war schneller und leidenschaftlicher. Ich sah das dunkle V ihrer Scham wippen, fühlte, wie sich ihre Nägel in meine Schenkel gruben. »Nimm mich«, sagte sie. Sie ritt mich auf dem Sessel am Fenster. Ihr Haar war so nass von Schweiß, als käme sie gerade aus der Dusche. Ich war von Liebe zu ihr erfüllt und voll Furcht um sie.
    »Noch einmal«, sagte ich heiser, eine halbe Stunde später.
    Diesmal war es langsam. Ohne Worte. Das Feuer im Kamin war irgendwann erloschen, und der Sturm musste sich ausgetobt haben, denn der Mond schien. Ich ließ meine Augen tastend über sie gleiten. Wie Picasso zerlegte ich sie in Einzelbilder, die ich den Rest meines Lebens nicht vergessen würde. Ihre schlanken und muskulösen Arme. Ein abgewinkeltes Knie, ein elegant geschwungener Knöchel, die Wölbung eines Fußes, einer runden weißen Schulter. Unsere Hüften bewegten sich in perfektem Einklang. Ihr Körper roch nach Moschus und Schweiß. Ich glaube, wir hatten uns bemüht, nur zu flüstern und unsere Schreie zu unterdrücken.
    Aber ich wusste es nicht. Ich hatte völlig das Gefühl für Zeit und Raum verloren.
    Ich war angenehm wund. Wir atmeten keuchend, rangen nach Luft wie ein Freitaucher nach einem langen Tauchgang. Wir hatten versucht, uns durch Intensität der Zukunft zu versichern. Vergangenes über Bord zu werfen.
    Drei Uhr morgens.
    »Ich hätte nichts dagegen, das noch ein paar hundert Mal zu wiederholen«, hauchte sie. »Mit der Zeit.«
    »Kinder«, sagte ich. »Na ja, wenigstens einen Bruder oder eine Schwester für Chris.« Ich hörte meine Worte und hätte lachen mögen. Bis jetzt hätte ich bei einem solchen Gedanken die Flucht ergriffen.
    »Mike, soll ich dir etwas Komisches sagen? Chris hat mich am Telefon gefragt, ob wir es schon getan hätten. Ich glaube, alle außer uns haben es gemerkt.«
    »Willst du immer noch nach Vermont? Ich komme mit.«
    »Du hast ein schönes Haus, Mike. Und der Garten. Ein Haus für eine Familie. Oder sind das nur Wunschträume?«
    Ihr Kopf ruhte auf meiner Schulter.
    »Vielleicht ist das die richtige Art, zu leben«, meinte ich. »Man wünscht sich etwas, und dann verwirklicht man es.« Sie kuschelte sich enger an mich. »Es kommt mir gar nicht mehr so schwer vor.«
    Das Zimmer war nicht mehr fremd. Es

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