Serum
Zischen gehört? Hatten sie das Leck geflickt oder die Kerze ausgeblasen?
Der Tunnel kam mir länger vor, als ich ihn in Erinnerung hatte. Es ging immer noch abwärts, wir waren noch nicht einmal halb hindurch.
Ich flüsterte: »Hast du Oliver Royce gesehen, Danny?«
»Nein, aber den Namen gehört.«
»Aber wie haben sie uns gefunden?«, fragte Hoot weiter vorne. Sie hatte aufgehört zu summen und schien wieder bei Sinnen zu sein.
Eisners Stimme klang körperlos. »Sie müssen meine Freunde überprüft haben. Ihre Häuser, Telefone, Computer.«
»Was sind das für Leute?«, fragte Hoot. Das war natürlich die Preisfrage. Wir hatten immer noch keine Ahnung, wer hinter dem Diebstahl von HF-109, den Morden und dem kalten Putschversuch stand. Keating?
Unmöglich. Colonel Otto? Möglicherweise, aber er war nur ein Colonel. Irgendein Teil des Puzzles fehlte. Jedes Mal wenn ich einen brauchbaren Verdächtigen hatte, starb er – oder er trat zurück und verschwand.
»Wir sind durch!«, sagte Kim. »Ich fasse es nicht!«
Da ich als Letzter kam, wartete ich darauf, dass die anderen die Falltür zu den eisigen Wäldern über unseren Köpfen öffneten. Ich war zu wütend, um Angst zu haben. Ich wollte kämpfen.
Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, aber ich fragte mich: Wie hoch reicht diese Sache?
Dann hörte ich: »Die Tür ist zugefroren. Sie geht nicht auf. «
Ich dachte an Corby und Marty. Da hatte jemand seine eigene Privatarmee aufgebaut. Jemand so hoch droben, dass er eine geheime militärische Einheit gründen konnte. Jemand, der Truppen unter Umgehung der normalen militärischen Kanäle dirigieren konnte. Jemand mit Zugang zu den psychologischen Akten von Soldaten, um einen speziellen Typus auszuwählen. Ein tatkräftiger Mensch mit besten Verbindungen, der, unterstützt von einer Droge, den größten Machtpoker aller Zeiten spielte.
»Die Tür gibt nicht nach«, keuchte Eisner. »Mike, können Sie sich an mir vorbeischieben und helfen?«
Es war ein schwieriges Manöver. In dem beengten Raum unter der Falltür vereinigten wir drei Männer unsere Kräfte. Wir legten uns auf den Rücken und traten mit den Füßen nach oben gegen die Tür. Danny stöhnte vor Schmerz. Ich roch den süßsauren Geruch von Blut. Mit meinem Schweizer Taschenmesser bearbeitete ich den Spalt um die Falltür herum. Stücke gefrorener Erde bröselten herunter.
»Drücken!«
Langsam gerieten wir in Panik. Hoots Gesicht war von Rotz und Tränen verschmiert.
Inzwischen hatten die Männer den Tunnel bestimmt entdeckt und kamen hinter uns her.
»Eins … zwei …«
Wir grunzten vor Anstrengung, und endlich gab die Tür nach. Eisner wollte sich nach draußen ziehen.
Doch plötzlich glitt er in den Tunnel zurück und prallte gegen die Wand.
Gabrielles Taschenlampe wurde ihr aus der Hand gerissen und zerbrach. Die Birne erlosch.
Erdbrocken flogen mir ins Gesicht. Kim schlug mit dem Kopf gegen einen vorstehenden Felsen und sackte mit schlaffen Gliedern quer über meiner Brust zusammen. Die Gesetze der Physik schienen außer Kraft gesetzt. Wir bewegten uns, aber nicht aus eigenem Antrieb. Der Tunnel wackelte, während ein gewaltiger Knall die Erde erschütterte. Die Schockwelle ließ Eis von den Bäumen regnen.
»Jungs, immer schön das Gas abdrehen, wenn ihr aus dem Haus geht«, sagte Danny nach einer Weile.
»Kim? Bist du …«
»Alles in Ordnung.«
Ich schob sie und Gabrielle nach draußen. Als wir alle im Freien waren, rollte ich mich weg von der Öffnung, und Eisner knallte die Falltür zu. Jetzt war nur noch das verharschte Gras zu sehen. Über uns stand ein voller Mond. Wir atmeten schwer. In der Luft lag ein chemischer Gestank.
Im Osten schien die Glut eines Feuers durch die Bäume. »Leb wohl, Corby«, sagte ich.
»Reines Wunschdenken«, meinte Danny.
Eisner runzelte die Stirn. »Man wird unsere Fußspuren auf dem Eis sehen.«
Danny wischte sich mit einer Handvoll Eis das Blut aus dem Gesicht. Eine orangefarbene Korona leuchtete am Himmel. Ich versuchte, mir einzureden, dass alle Angreifer im Haus gewesen waren. Doch dann sprangen Motoren an. Das Geräusch einer zweiten, kleineren Explosion folgte. Die Schockwelle löste noch mehr Eis aus den Bäumen, und es regnete wie Glassplitter auf uns herab.
Eisner sah in die Richtung, wo unser SUV versteckt war. »Nach Kanada sind es fünfzehn Stunden Fahrt. Wir gehen zu Fuß über die grüne Grenze.«
Danny schonte sein Bein. »Alte Basketballverletzung«, erklärte er
Weitere Kostenlose Bücher