Serum
dem Kerl die Füße weg, und er prallte mit dem Kopf gegen die Fliesen. Er hatte einen Schuh verloren, und ich sah ein Loch in seinem Strumpf. Die große Zehe war schmutzig.
Ich bin normalerweise kein gewalttätiger Mensch, aber eines habe ich vor langer Zeit in Devil’s Bay gelernt: Wenn einen jemand bedroht, schlägt man als Erster zu, und zwar so hart, dass der Bursche nicht mehr hochkommt.
»Was war in Dwyers Haus?«, wollte ich wissen.
»Sie haben sich mit den falschen Leuten angelegt.«
Ich beugte mich tiefer zu ihm hinunter. »Wer hat Sie geschickt?«
Unsere Aktion hatte nur Sekunden gedauert. Der Mann atmete schwer und keuchend. Blut lief ihm aus Nase und Mund, und ein tiefer Riss in seiner Stirn würde ein paar Stiche benötigen. Ohne Mütze wirkte er älter, Anfang dreißig; sein langes Gesicht glänzte vor Schweiß und war tief gebräunt. Er hatte kurzgeschnittenes, hellbraunes Haar, an den Seiten noch dicht, aber nach oben hin schütter werdend. Das Blau seiner Augen entsprach der verblassten Tinte der Tätowierung an seinem rechten Unterarm. USMC. US Marine Corps.
»Wer hat Ihnen gesagt, dass ich die Disk habe?«
»Keine Brieftasche«, stellte Danny fest, der ihm die Taschen umdrehte. »Keine Papiere.« Er kniete sich hin und zog seine Flasche aus der Papiertüte. Dann presste er die Finger des Kerls gegen das Glas.
»So ist’s brav, General Custer«, sagte er. »Hübscher Abdruck. Und jetzt den Zeigefinger. Ja, immer schön mitarbeiten.«
Ich unterdrückte mühsam meinen aufwallenden Zorn.
»Was war das für ein Zeug in dem Arzneifläschchen?«, fragte ich.
Der Typ sprach nicht mehr wie ein fröhlicher Talkmaster. Er lag auf dem Bauch und nuschelte wie jemand mit offenem Mund auf dem Zahnarztstuhl. »Fick dich.«
Ich rammte ihm den Absatz in den Rücken. Aber das half nichts. Er war ein harter Bursche. Mit dieser gequetschten Stimme sagte er: »Was immer Sie mir antun, es ist nichts im Vergleich zu dem, was die Ihnen antun werden. Geben Sie mir die Disk. Um Ihrer selbst und Ihrer Freundin willen.«
Danny richtete sich auf und trat dem Mann in den Magen, als er hochzukommen versuchte. Er rollte sich zu einer Kugel zusammen. Aber der Tritt hatte uns Zeit gekostet. Jetzt konnte er gar nicht mehr reden, er hatte schon Mühe, überhaupt Luft zu bekommen.
»Was«, fragte ich wie eine Platte, die einen Sprung hat, »ist auf der gottverdammten Disk?«
Danny legte stirnrunzelnd den Kopf schief und lauschte. Durch die Tür sah ich drei Streifenwagen, die über den Parkway in unsere Richtung rauschten.
»Die können nicht uns meinen«, behauptete Danny. »Die sind anderswohin unterwegs.«
Der Typ grinste uns mit blutigen Zähnen an.
»Sie hat sie angerufen«, sagte er.
Das machte uns Beine. Wir konnten nicht abwarten, ob er die Wahrheit sagte. »Sollten wir uns wiedersehen, werden Sie derjenige sein, der einen Unfall hat«, sagte ich, aber angesichts der Tatsache, dass ich mich gerade aus dem Staub machte, klang die Drohung nicht besonders überzeugend.
Seine Worte folgten uns, während wir davonrannten.
»Beim nächsten Mal werden Sie mich nicht sehen, Mike. Und Kim auch nicht. Verräter wie Sie haben keine Zukunft.«
5
V
erräter?« ,meinte ich verblüfft.
»Frag mich nicht.« Danny zuckte die Achseln.
»Mal sehen, was die Fingerabdrücke bringen.«
Das Delta-Shuttle zwischen New York und Washington ist wahrscheinlich die zuverlässigste Flugverbindung der USA. Zu jeder vollen Stunde geht eine Maschine vom alten Marine-Terminal in La Guardia ab. Trotz der umständlichen neuen Sicherheitsvorkehrungen funktioniert es wie ein Uhrwerk.
Wir hatten uns mit frischer Kleidung versorgt, denn mit blutigem Hemd am Flughafen aufzutauchen, ist keine gute Idee.
»Warum hat er ausgerechnet das gesagt, Danny, warum?«
Wir hatten den Kurier eines privaten Fingerabdruckdienstes angefordert, der uns am Flughafen treffen sollte. Normalerweise arbeitete ich mit diesen Leuten, Worzak Security, zusammen, wenn ich jemanden für einen sensiblen Sicherheitsposten einstellte. Sie glichen diskret die Abdrücke mit den Datenbanken von Militär und Polizei ab, üblicherweise natürlich mit Erlaubnis der Betroffenen.
In diesem Fall gab es die nicht. Und Worzak, ebenfalls Ex-FBI-Agent, hatte nicht danach gefragt.
Danny riss mich aus meinen Gedanken, während das Flugzeug zum Landeanflug einschwenkte. »Erzähl Detective Berg, was passiert ist«, schlug er vor.
»Wir haben keine Beweise. Wir haben ihn
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