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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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weiterbringt?«
    »Man hat ihn ermordet«, sagte ich, »bevor ich mit ihm sprechen konnte.«
    Ich erwähnte nicht, dass die Polizei hinter mir her war. Das hätte ihn der Beihilfe nach der Tat schuldig gemacht. Aber ich sagte ihm, dass HF-109, wie es jetzt aussah, vielleicht gar keine biologische Waffe war. Dass die Droge – unbestätigt, aber denkbar – möglicherweise die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit stark verbesserte und es ermöglichte, die Stimmungslage anderer Menschen intuitiv zu erkennen. Ihre Lügen. Ihre Wahrheiten.
    Er meinte zweifelnd: »Du meinst Gedankenlesen?«
    »Eher Absichten. Nicht Gedanken. Glaub mir, ich weiß, dass das weit hergeholt klingt.«
    »Kann man wohl sagen«, meinte er. Aber er widersprach nicht. Er nahm meine Spekulation ernst. Nach einer Weile sagte er: »Wenn das stimmt, ist es kein Wunder, dass die Armee das Labor abgeriegelt hat. Kein Wunder, dass der Geheimdienst rotiert. Wenn Terroristen so etwas in die Hand bekämen … Genau genommen würde ich nicht wollen, dass irgendjemand so etwas in die Hand bekommt. Außer mir natürlich …«
    »Ich weiß, es klingt unmöglich«, meinte ich. Ich drehte und wendete das Plastiktütchen und sah zu, wie die kleinen Körnchen darin hin und her kugelten.
    »Kaffee macht auch wacher«, meinte er.
    »Aber hier sprechen wir von einer Droge, mit der man – so verrückt es klingt – einen Terroristen aufspüren könnte. Wissen könnte, ob die eigene Frau einen betrügt. Herrgott, das würde die Welt verändern. Wie kann eine Droge so etwas bewirken?«
    »Vielleicht kann sie es ja nicht. Was weiß ich. Aber ich kenne jemand, den wir fragen können. Cousin Lou sein mächtiger Medizinmann.«
    Ich seufzte. »Jemand mit höherer Qualifikation wäre vielleicht hilfreicher.«
    »Er sein großer Fachmann.«
    »Ein Medizinmann?«
    Danny meinte stolz: »Lou hat den Lehrstuhl für kognitive Wissenschaften an der Universität von New York inne. Letztes Jahr hat er ein Angebot aus Harvard ausgeschlagen. Er ist ein Pionier der Gehirnforschung. Für fMRT-Scans. Biofeedback. Er war für den Nobelpreis nominiert. Er kennt das Gehirn wie seine Westentasche.«
    »Warum hast du nicht gleich gesagt, dass er Arzt ist?«
    »Wenn ein Arzt kein Medizinmann ist, wer dann?«, fragte Danny. »Denk doch mal nach.«
    Angesichts seiner Witzelei musste ich mir ins Gedächtnis rufen, dass Danny ja nicht wusste, wie schlecht die Dinge in Key West standen. Ich bat ihn, ein Treffen mit dem »Medizinmann« zu arrangieren.
    »Er sein sehr beschäftigt«, wandte Danny ein, aber es war nur Spott.
    »Dann sehen wir uns morgen«, sagte ich. Ich sah mich in meinem Versteck um und hoffte, es würde ein Morgen geben.
    »Boss, der Wetterbericht hat für da unten Sturm gemeldet. Sieh zu, dass du nicht nass wirst«, empfahl er, und ich verstand, dass er damit etwas anderes meinte: Pass auf dich auf. »Werd nicht nass«, wiederholte er.
    Dann war ich wieder allein, unter einem fremden Haus, in der Falle, wegen Mordes gesucht.
    Man hatte mein Leben bedroht. Mein Job war futsch.
    Schluss mit dem Selbstmitleid! Schlaf endlich.
    Ich streckte mich aus. Die Walgreen-Tüte mit den frischen Kleidern nahm ich als Kopfkissen. Wenigstens war der Boden warm.
    Dann hielt ich mir das Plastiktütchen vor die Augen, das ich Asa Rodriguez abgenommen hatte. Ich öffnete es, schnüffelte daran. Dachte an die Instruktionen auf dem Arzneifläschchen des Vorsitzenden.
    Drei Stunden vorher einnehmen.
    Ein schmaler Streifen Straßenlicht fiel in mein Versteck und spiegelte sich auf dem Plastik. Ich dachte: Wenn es etwas gibt, was ich jetzt brauchen könnte, dann ist es verbesserte Gehirnleistung oder was immer Dick Milenko sein Kriegsspiel gewinnen und die alte Dame ihre Aktien verkaufen ließ. Und ein bisschen gutes altes Glück könnte auch nicht schaden.
    Warum nicht, dachte ich. Warum zum Teufel eigentlich nicht?
    Ich leerte den Beutel und schluckte den gesamten Inhalt hinunter.
    Zeit für einen Selbstversuch mit HF-109.

12
    I
    ch schlug die Augen auf und musste blinzeln. Grelle Scheinwerferstrahlen bohrten sich mir schmerzhaft in die Augen, aber ich konnte die Hand nicht heben, um sie abzuschirmen. Mein Körper weigerte sich, sich zu bewegen, und mir ging es wie dem Blinden, dessen verbliebene Sinne schärfer werden. Ich roch medizinischen Alkohol, Formaldehyd und scharfen, ammoniakartigen Uringestank.
    Aber es war der vertraute Duft von L’homme-Aftershave, der meine Verwirrung in Furcht

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