Settlers Creek
Urlauber, die hier picknicken und baden. Box fährt seinen Wagen hinein und stellt den Motor ab. Vor ihm verbeißen sich die Wellen in den Strand, eine nach der anderen, endlos. Der Hafen ist in Wolken und Regen untergegangen. Die Wellen sind dunkelbraun, voll Tang, Treibholz und Schlick vom Grund des Hafenbeckens. Ohne Motorgeräusch hört er die Wellen, ihr Dröhnen mischt sich mit dem Trommeln des Regens auf dem Autodach und dem Heulen des Sturms; in seinem Kopf vermischt sich das alles zu einem einzigen Getöse.
Er tastet wieder nach dem Handy. »Liz. Liz, ich bin wieder dran.«
Sie weint. Offenbar haben die paar Wörter, die er verstanden hat, ihre letzte Kraft aufgebraucht. Er wartet, lauscht dem Tosen um ihn her und dem Weinen seiner Frau.
Alles ist überklar und zeitlos. Box erinnert sich daran, daß er es beim Tod seines Großvaters genauso empfunden hat. Der Arzt war ins Wartezimmer des Krankenhauses gekommen und hatte ihm gesagt, daß sein Opa tot war. Box wußte den Namen des Arztes nicht mehr, vielleicht hatte er ihn auch nie gekannt, aber wenn er jetzt, in seinem Pickup, die Augen schließt, sieht er ihn vor sich, seine großen dunklen Augen und die feine weißliche Narbe in der braunen Haut unterhalb des linken Auges. Es hatte Blumen gegeben in diesem Wartezimmer, orangefarbene und weiße Margeriten in einer grünen Vase auf dem Fensterbrett.
Ein Unfall. Es muß ein Autounfall gewesen sein. Das würde ihm Liz gleich sagen.
Er öffnet die Augen und bemerkt, daß etwa vierzig oder fünfzig Meter vom Strand entfernt ein Floß vertäut liegt. Es hebt und senkt sich in der Dünung, und weiße Schaumkronen brechen darüber hinweg. Box hört den Regen, das Krachen der Wellen und manchmal das Rollen von Steinen. Fee-fi-fo-fum. Verdammt, wieso dachte er jetzt ausgerechnet an dieses Märchen?
Nach einer quälend langen Zeit spürt er, daß Liz einen neuen Anlauf unternimmt, um weiterzusprechen.
»Bitte entschuldige, Box.«
»Alles gut, ich bin da. Sag mir, was passiert ist.«
»Gestern nacht.« Sie bricht ab und setzt dann wieder an: »Gestern nacht ist Mark nicht nach Hause gekommen. Ich habe ihn auf dem Handy angerufen, zigmal, aber es kam nur der Anrufbeantworter. Er ist die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen.«
»Du hättest mir Bescheid sagen sollen.«
»Wozu? Was hättest du von dort aus schon tun können?«
Da hatte sie recht. Es tat trotzdem weh. »Okay.«
»Ich hab gedacht, daß er bestimmt bei einem Freund übernachtet und bald wieder da ist. Das hat er ja auch früher schon gemacht, oder?«
»Ja.«
»Und dann standen heute morgen zwei Polizisten vor der Tür. Als ich sie sah, wußte ich sofort, was passiert war.«
»Wann war das?«
»Früh, ungefähr um neun.«
Und jetzt war schon nach Mittag. »Neun? Warum hast du mich nicht sofort angerufen?« Ihre Stimme wurde eine Spur schärfer. »Ich habe es den ganzen Morgen über versucht, Box.«
Er schweigt, und sie spricht weiter. Er hört die Wörter Hügel und Baum, und dann sagt sie das Seil aus der Garage. Er sinkt tief in seinen Sitz, ihre Worte schlagen ihn zusammen, jedes einzelne ein Fausthieb. Und dann schließlich, endlich hat sie zum Glück ausgeredet.
»Ich bin, so schnell ich kann, zu Hause – in fünf, sechs Stunden.«
»Bitte fahr jetzt nicht, Box.«
»Das geht schon.«
»Du solltest nicht fahren.«
»Mein Gott, Liz!«
»Nein. Hör mir zu. Ich muß ganz sicher sein, daß dir nichts passieren kann. Ich muß wissen, daß du da bist. Verstehst du das?«
»Es wird schon gehen, mach dir keine Sorgen.«
»Bitte nimm den Flieger.«
Sie bettelt fast. Box erträgt das kaum. Nicht von Liz.
»Okay.«
»Dann bist du sogar eher hier.«
»Okay.«
»Versprich’s mir.«
»Ich fahre direkt zum Flughafen.«
»Danke. Ich liebe dich.«
»Bin bald zu Hause.«
»Okay.«
»Liz ...« Sie hat aufgelegt.
Box schaut auf das Display seines Telefons. Zehn verpaßte Anrufe. Er sitzt in dem kalten Pickup, schaut auf den Hafen durch einen Vorhang aus Wasser. Mit einemmal zittert er am ganzen Leib, wie ein Hund, der das Wasser aus dem Fell schüttelt. Seine Kleider sind durchnäßt, die feuchtkalten Shorts kleben am Oberschenkel. Sogar das T-Shirt unter dem Buschhemd ist naß. Er packt das Lenkrad und drückt es so fest, daß seine Knöchel weiß werden. Überall Wasser. Es ist mehr wie in einem U-Boot als in einem Auto. Er hat so geparkt, daß ihn der Wind von der Seite trifft; eine starke Bö schüttelt den ganzen Wagen. Box sitzt
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