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Settlers Creek

Settlers Creek

Titel: Settlers Creek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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in der Fahrerkabine und spürt, wie seine Welt erzittert und ins Rutschen gerät.

Zwei
    Box fuhr rein instinktiv, unter Schock, in seinem Kopf wirbelte alles durcheinander, und er konnte keinen klaren Gedanken fassen.
    Der Pickup folgte der Straße in die Buchten und wieder hinaus, durch die spritzenden Wasserlachen, durch die Salzgischt der anbrandenden Wellen, unter den tiefhängenden schwarzen Wolken, bis sich Box endlich am Hafen wiederfand. Fünf Minuten später wies ihn ein Schild zur Schnellstraße.
    Er wartete an der Ampel, der Pickup klapperte. Der Flughafen lag etwa eine halbe Stunde entfernt. Box fuhr nicht ins Motel zurück. Seine Kleider, der Koffer und seine anderen Sachen waren ihm gleichgültig. Er mußte sofort zum Flughafen. Und nach Norden fliegen. Zu seiner Frau und seinen Kindern. Er ertappte sich und spulte zurück wie bei einem Tonband, dann begann er von vorn: zu seiner Frau und seiner Tochter. Zu Liz und Heather.
    Die Ampel stand auf Grün, wer weiß, wie lange schon. Box hatte es nicht bemerkt, vielleicht war es ihm auch einfach egal gewesen. Er wußte es selbst nicht. Der Fahrer eines blauen Peugeot hinter ihm hupte energisch. Box schaute in den Rückspiegel und sah einen Mann in einem dunklen Anzug mit blondem Bürstenschnitt. Zugleich erhaschte er einen Blick auf sich selbst im Spiegel. Seine Augen waren klein und hart. Die Haut spannte über den Backenknochen. Erneut hupte der Peugeot. Jetzt fuhr Box erst recht nicht los. Als die Ampel gerade wieder auf Rot sprang, überquerte er die Kreuzung. Der Peugeot schaffte es nicht mehr.
    Er war dankbar, daß auf der Schnellstraße nur wenige Autos fuhren. Vermutlich wegen der Unwetterwarnungen. Wer nur irgend konnte, blieb bei einem solchen Wetter zu Hause und machte es sich gemütlich. Box fuhr auf der rechten Spur. Die Scheibenwischer krochen hin und her. Er starrte unverwandt geradeaus. Er bemerkte kaum, daß er einen grünen Kombi überholte und kurze Zeit später ein weiteres Auto. Sein Pickup vibrierte. Es klang wie ein zorniger Bienenschwarm. Die Vibrationen gingen vom Motor aus und setzten sich durch die Karosserie in die Lenksäule und seine Arme fort. Das Rattern wurde lauter und lauter, bis es schließlich Box’ Geistesabwesenheit durchbrach. Er sah auf den Tacho, wo sich die Nadel bei Hundertzwanzig bewegte. Keine gute Idee. Sicht miserabel. Und mindestens zwei seiner Reifen waren total abgefahren. Er nahm den Fuß vom Gas. Bei hundert ließ das Vibrieren nach, bei fünfundachtzig hörte es ganz auf.
    Mark ist tot! Sein einziger Gedanke bestand aus drei Wörtern.
    Die Wahrheit des Satzes traf Box mit einer Wucht, als hätte er es gerade erst erfahren. Die Wörter wurden ihm direkt ins Ohr gebrüllt, gewaltsam eingetrichtert. Er fing wieder an zu zittern. Diesmal rührten die Vibrationen nicht vom Motor her, sondern kamen aus ihm selbst. Seine Hände am Lenkrad zitterten, seine Zähne klapperten laut. Er hatte gedacht, das gäbe es nur in Filmen und Büchern. Das Geräusch ließ ihn an das aufziehbare Gebiß denken, das er als Kind gehabt hatte. Es war ganz von selbst über den Fußboden gehopst, Mund auf, Mund zu, weiße Zähne und roter Gaumen. Ein Geburtstagsgeschenk seines älteren Bruders Paul.
    Box fuhr auf eine Reklametafel neben der Straße zu. Sie zeigte das lebensgroße Bild einer lächelnden Familie. Alle standen in der Küche und tranken aus dampfenden Bechern. In diesem Regen wirkte das Bild warm und einladend, eine Szene, in die Box liebend gern eingetreten wäre. Er konnte nicht sagen, was die Reklame zu verkaufen versuchte, vielleicht Kaffee oder Fleischbrühe. Aber es konnte alles und jedes sein, oder? Strom, dämliche Glühbirnen, Lebensversicherungen, irgendwas. Aber etwas an diesem Bild – das sanftgelbe Licht, die warme Küche, die schöne dunkelhaarige Frau, der Junge, der ungefähr zwölf sein mußte –, irgend etwas daran ließ das volle Gewicht dessen, was geschehen war, plötzlich auf Box herabstürzen, als wäre ihm im Schlaf ein stinkender Sack über den Kopf gestülpt worden.
    Etwa hundert Meter nach der Tafel gelang es Box, den Pickup auf den breiten Rasenstreifen neben der Straße zu steuern. Er saß hinter dem Lenkrad und starrte geradeaus, völlig gelähmt von dem, was geschehen war. Eine namenlose Angst überfiel ihn. Um ihn wurde es schwarz, er bekam keine Luft mehr. Und dann fing er an zu schreien, in unkontrollierbarer Wut schlug er auf das Lenkrad ein und schrie, er brüllte wie ein wildes

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