Settlers Creek
Ordnung, Mitch.«
»Wie läuft’s da unten?«
»Gar nicht mehr. Regen.«
»Was?«
Lauter diesmal: »Es regnet. Unwetter von Süden.«
»Habt ihr das Dach fertig?«
»Nein. Erst halb.«
»Scheiße.« Das war laut genug für Box. »Dieses Wetter hat mir gerade noch gefehlt. Der April soll doch eigentlich beständig sein.«
»Der Wetterbericht sagt, es zieht heute nacht durch, und morgen nachmittag ist es wieder schön.«
»Ich kann mir solche Unterbrechungen nicht mehr leisten.«
»Hoffe, den Kindern macht es nichts aus, in einem Klassenzimmer ohne Wände zu sitzen.«
»Mach keine Witze.« Mitch seufzte so laut, daß Box es durch den Lärm des Regens hörte. »Ich brauche euch auf der Baustelle an der George Street. Da gibt es jede Menge zu tun.«
»Geht klar. Ich kann gleich rüberfahren, muß nur noch in meinem Motel vorbei und trockene Sachen anziehen. Aber Taylor und Grant sind schon weg.«
»Wohin?«
»Weiß nicht.«
»Nutzloser Drecksack. Ich hab’s schon auf Taylors Handy probiert, aber er hat’s ausgemacht.«
»Du hast ihn eingestellt.«
»Danke, daß du mich daran erinnerst. Okay. Du fährst zum Motel, und wenn du Taylor dort triffst, dann sag ihm, daß er und Grant sofort ihre Ärsche in die George Street bewegen sollen. Und daß Taylor sein gottverdammtes Telefon wieder anmachen soll.«
»Darf ich dich wörtlich zitieren?«
»Wie du willst, Box, solange er nur das macht, was man ihm sagt.«
Mitch legte auf.
Box aß seinen Lunch, ließ den Motor an und fuhr los.
***
Am Fuß des Hügels machte er die Scheinwerfer an, obwohl es erst kurz nach Mittag war. Die Straße an dieser Seite des Hafens führte durch zahlreiche Buchten und an Landzungen vorbei. Er sah ein Durcheinander von Häusern, die sich zwischen die Bäume duckten. Andere, teurere Anwesen hatte man oben auf die Bergrücken gebaut. Box stellte sich vor, wie deren Besitzer nachts dort saßen und über das schwarze Wasser zu den Lichtern der Stadt hinübersahen. Heute jedoch nicht: Der Hafen war in niedrighängenden Wolken und Regen verschwunden.
Die Scheibenwischer kämpften gegen die gewaltigen Wassermassen an. Sie kannten nur zwei Geschwindigkeiten: an oder aus. Wenn sie an waren, beschrieben die abgenutzten Wischblätter in spastischen Zuckungen etwa drei Viertel ihres Bogens, bevor sie abrupt nach links zurückfielen. Dann entstand eine unnatürlich lange Pause, bevor sie die Kraft für den nächsten Einsatz aufbrachten. Die meiste Zeit sah Box die Welt vor sich wie durch einen Schleier. Er beugte sich beim Fahren nach vorn, um durch den Wolkenbruch überhaupt etwas zu sehen. Der Pickup hatte die letzte technische Überprüfung nur um Haaresbreite geschafft.
Die Straße war schwarz und rutschig. An manchen Stellen hatte Herbstlaub die Rinnsteine verstopft, und ganze Bäche flossen auf die Straße und vor ihm her, kleine Fontänen spritzten um sein Auto herum. Zu seiner Rechten schlugen die Wellen gegen und über die niedrigen Betonmauern, die man gebaut hatte, um zu verhindern, daß die Straße unterspült wurde.
Wieder läutete sein Telefon. Box tastete danach, ohne den Blick von der Straße zu wenden. Schließlich hatte er es am Ohr. »Ja, es regnet immer noch, Mitch.«
»Box?«
Es war nicht Mitch, sondern Liz. Es war etwas passiert. Das hörte er sofort an ihrer Stimme, sogar über den Lärm des Regens und des Motors hinweg. Sie hatte seinen Namen so ausgesprochen, daß er wie ein leeres Loch klang.
»Liz?«
Keine Antwort.
»Liz? Ich bin’s, hörst du mich?«
Sie stöhnte seinen Namen fast.
»Ich bin da, was ist passiert?«
»Mark, es ist Mark.«
»Was hat er denn diesmal angestellt?«
»Ein Unfall.«
»Was ist denn passiert?«
»Box.« Ihre Stimme zitterte.
»So sag es mir doch, um Gottes willen.«
Der Regen strömt herab. Die Scheibenwischer bahnen sich ihren Weg und enthüllen für einen Moment die schmale Straße mit ihrer weißen Mittellinie. Die Gischt einer Welle weht über die dunkle Fahrbahn und trifft den Pickup an der Seite.
»Er ist tot. Mark ist tot, Box.«
***
Box läßt das Telefon los. Es fällt in seinen Schoß, macht Geräusche. Er hört Liz seinen Namen sagen.
Gerade fährt er über eine spitze Landzunge, wo die Straße in den Fels gesprengt wurde. Die schartige Wand der Klippe ragt senkrecht über dem Asphalt auf, ohne auch nur Platz für einen Fußweg zu lassen. Hier kann er nicht anhalten. Er fährt weiter, bis er oberhalb eines Kiesstrands eine Parkbucht findet, gebaut für
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