Settlers Creek
Timing.«
Sie zwang sich zu einem schiefen Grinsen, und er war dankbar dafür. Ihre dunkelbraunen Augen waren gerötet und das Gesicht aufgedunsen vom vielen Weinen. Auch wenn es sicher nicht stimmte, hatte Box doch den Eindruck, sie habe abgenommen; fast über Nacht war sie von einer schlanken zu einer hageren Frau geworden.
In der Küchentür am Ende des Flurs erschien das Gesicht eines Fremden. Box sah einen kleinen, korpulenten Mann in schwarzem Anzug. Sein rundes Gesicht hatte Hängebacken und die blühend roten Lippen eines schönen Mädchens. Das dunkle Bürstenhaar reichte bis in die Stirn.
»Entschuldigung, ich lasse Sie noch ein paar Minuten allein.« Er verschwand wieder in der Küche.
»Wer ist das?«
»Der Bestattungsunternehmer. Ich mußte anfangen, diese Dinge zu organisieren.«
»Ja, natürlich.«
Natürlich. Es gab gewiß tausend Kleinigkeiten, die bedacht werden mußten. Sicher hatte Liz schon eine Liste gemacht. Plötzlich fühlte er sich wie ein Spaziergänger, der an einem Zugunglück vorbeikommt. Aber die Retter waren schon bei der Arbeit. Er wußte nicht, wie er helfen sollte, wo er gebraucht wurde.
»Tut mir leid, Box, aber du warst ja nicht da.«
»Nein. Das hast du ganz richtig gemacht. Danke.«
»Ich habe denselben genommen wie damals bei Mutter. Erinnerst du dich?«
»Klar.«
Box hatte noch immer Heather im Arm, als sie Liz in die Küche folgten. Der Mann im schwarzen Anzug saß am Küchentisch, auf dem er einige Papiere ausgebreitet hatte. Eine gefüllte Cafetière stand ebenfalls auf dem Tisch, neben einem Teller mit einer Pyramide von Scones. Der Mann erhob sich, und Box sah, wie einige Krümel von seinem Schoß auf den Boden fielen. Der Bestattungsunternehmer gab ihm die Hand.
»Gut, daß Sie hier sind, Mr. Saxton. Mein Name ist Bevan Rogers.«
»Box, bitte, man nennt mich Box.«
Das Lächeln des Bestattungsunternehmers wurde dünner. »Box? Ist das ein Spitzname?«
»So werde ich genannt, seit ich denken kann.«
»Also Box. Es tut mir sehr leid, was passiert ist. Der Selbstmord eines Kindes ist wohl das schlimmste, was einer Familie geschehen kann.«
Box nickte nur. Du hast es erfaßt, Sherlock. Er wunderte sich, daß er bereits eine Wut auf den Mann hatte. Liz hatte ihn herbestellt, um es ihnen leichter zu machen. Er tat nur seine Arbeit.
Die drei Erwachsenen setzten sich an den Tisch, Heather blieb stehen.
»Mama?«
»Geh nur, mein Kind.«
Box sah Liz fragend an.
»Zwei Freundinnen von Heather aus ihrer alten Schule kommen gleich – Kate und Grace. Sie bleiben vielleicht über Nacht. Ich habe es erlaubt.«
»Gut so. Ich bin froh, daß deine Freundinnen für dich da sind.«
Heather schlang ihm die Arme um den Hals. Ihr langes helles Haar fiel ihm ins Gesicht. Er roch ihr Apfelshampoo.
»Ich bin so froh, daß du hier bist, Papa.«
»Ich auch, mein Liebes.«
Er legte ihr kurz die Hand auf den Kopf, froh, endlich etwas zu ihr gesagt zu haben nach der offensichtlichen Lüge, daß alles gut werden würde. Sie fing wieder an zu weinen und lief schnell aus der Küche.
Box wandte sich an den Bestattungsunternehmer: »Wann kann ich Mark sehen?«
Der Mann wechselte einen Blick mit Liz. Wieder hatte Box das Gefühl, als letzter bei einem Zugunglück eingetroffen zu sein.
»Das hängt vom Zeitpunkt der Autopsie ab.«
»Autopsie? Ist das Ihr Ernst? Warum zum Teufel braucht irgend jemand eine Autopsie?«
»Es tut mir leid, aber bei allen Fällen von Selbstmord wird die Gerichtsmedizin mit einer Untersuchung beauftragt. Die Autopsie ist gesetzlich vorgeschrieben.«
»Und wann passiert das? Heute?«
Der Mann sah in seine Papiere und schluckte vernehmlich. »Nein, leider nicht, weil heute Sonntag ist. Das kann frühestens morgen geschehen. Und auch das hängt noch davon ab, wie viele Fälle sie haben. Nirgendwo sonst auf der Welt bringen sich so viele Jugendliche um wie bei uns.«
»Ich muß ihn sehen.«
»Tut mir leid, aber damit müssen Sie bis nach der Autopsie warten. Das Gesetz läßt da keinerlei Spielraum.«
»Muß ihn nicht jemand identifizieren?«
Das war in diesen amerikanischen Krimis doch immer so, dachte Box – jemand mußte hin und den Toten identifizieren. Der glasklare Gedanke durchzuckte ihn, daß das Ganze eine dumme Verwechslung sein mußte. Mark schlief irgendwo bei einem Freund seinen Rausch aus. Er war zu besoffen oder müde gewesen, um Liz anzurufen. Irgendein armer Hund war letzte Nacht in den Hügeln gestorben, aber das war nicht
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