Settlers Creek
Fotopapier.
»Wo hast du die her?«
»Ich habe viel Zeit darauf verwendet, mehr über die Saxtons zu erfahren und über dieses Haus. Ich bin einer genealogischen Gesellschaft beigetreten. Es ist schon erstaunlich, was man im Internet alles rausfinden kann.«
»Im Internet?«
»Ian Jenkins läßt mich den Computer der Schulbibliothek benutzen. Die haben einen Breitbandanschluß.«
Die Vorstellung, daß Dee im Netz surfte, ließ Box den Kopf schütteln; er wäre nicht überraschter gewesen, wenn sie mit Stabhochsprung angefangen hätte. Er konnte sich ihre sonnengegerbten Hausfrauenhände nicht auf einer Tastatur oder einer Maus vorstellen.
»Warum?«
Sie antwortete nicht, sondern nahm eine Fotografie von dem Stapel und hielt sie ihm hin. »Das ist Augustus.«
Augustus posierte für die Kamera, mit Stoppelbart und steif wie ein Besenstiel; er wirkte auf Box, als wäre er überall sonst auf der Welt lieber gewesen als in diesem Fotoatelier. Der dunkle Anzug, den er trug, mußte wohl sein bester sein – vermutlich hatte er in ihm schon geheiratet, vielleicht wurde er auch darin begraben. Trotz des Barts nahm Box an, daß der Mann auf dem Foto erst Mitte Zwanzig war; soweit er das beurteilen konnte, gab es keinerlei Familienähnlichkeit, weder mit ihm noch mit Paul und ganz sicher nicht mit Pop.
Dee redete noch immer, sie hielt ihm fast einen Vortrag. Er wünschte, sie käme endlich auf den Punkt. »Es gibt kein Foto seiner ersten Frau, derjenigen, die auf der Überfahrt gestorben ist. Wir kennen nur ihren Namen: Helen. Hier aber, ziemlich oben auf der Seite, steht, daß er keine zwei Jahre nach der Ankunft hier wieder geheiratet hat, diesmal eine Frau namens Jessie Wells, die jüngste Tochter des Fleischers im Hafen. Augustus war damals erst dreiundzwanzig. In dem Alter schon auf der anderen Seite der Erde ohne seine Eltern zu leben, Witwer und zum zweiten Mal verheiratet zu sein, das macht einen in der heutigen Zeit doch ziemlich nachdenklich.«
Nein, dachte Box, neunzehn und bereits tot. Das macht einen ziemlich nachdenklich. Auf einmal versetzte es ihn in Wut, wie die alte Frau darauf bestand, daß er hier saß und ihrem Geschwätz über ihr neues Hobby zuhörte. Er war hierhergekommen, um – seine Gedanken gerieten ins Trudeln –, aus irgendeinem Grund. Ganz sicher aber nicht wegen einer Geschichtsstunde. Er legte das Foto aufs Sofa.
»Wieso zeigst du mir das, Dee?« Sogar für seine eigenen Ohren klang seine Stimme hart.
Die alte Frau wandte sich zu ihm und sah ihm ins Gesicht. »Wieso zieht ihr, Liz, Heather und du, nicht hierher? Kommt nach Whitecliffs!«
Schon bevor sie zu Ende gesprochen hatte, war Box aufgestanden. Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nein.«
»Box!«
»Um Gottes willen, Dee!« Er holte tief Luft und setzte noch einmal an. »Jetzt ist wirklich nicht der richtige Moment, um über so etwas zu reden. Mark ist erst einen Tag tot!«
»Ich glaube, es ist genau der richtige Moment.«
»Dee, bitte!«
»Gibt es einen besseren Moment, um über die Zukunft der Familie nachzudenken?«
»Wir fühlen uns ganz wohl dort, wo wir sind.«
»Quatsch, Box. Du weichst mir aus. Ich will, daß du mir zuhörst.«
»Genau das tue ich doch.«
»Ich habe dich beobachtet. Die letzten Jahre haben dich ganz schön verändert.«
»Es geht mir gut.«
»Hierher zurückzuziehen würde dir guttun, besonders jetzt.«
»Nein.«
»Wenn du Whitecliffs nicht übernimmst, wird alles einfach verkauft werden, wenn ich sterbe.«
»Du stirbst nicht.«
»Schön. Dann bin ich die erste, die das schafft.«
»Du verstehst schon, wie ich das meine. Du bist so fit, wie man nur sein kann.«
»Eines Tages wird das alles hier verkauft werden, und dann bleibt dir nichts außer dem Geld.«
»Tatsächlich könnte ich das Geld zur Zeit gut brauchen.«
»Ich spreche von deinen Wurzeln hier, Box. Geld ist doch nicht wirklich wichtig.«
»Sag das meinen Gläubigern.«
»Vier Generationen von Saxtons haben in dieser Bucht gewohnt, drei davon in diesem Haus. Ist mir egal, ob du der reichste Mann der Welt bist, man kann diese Verbundenheit mit einem Ort nicht kaufen.«
Box trat einen Schritt zurück. Dees Stimme hatte einen fast fanatischen Ton. Auf ihrem Sofa zu sitzen, umgeben von ihren Fotografien und Familiengeschichten, war in diesem Augenblick einfach zuviel für ihn. Er ging zum Kamin mit dem weit vorspringenden Sims, der wie durch Zauberei frei im Raum zu schweben schien. Mit der flachen Hand strich er über
Weitere Kostenlose Bücher