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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Menschen«, fuhr er fort,
»behandeln schwangere Frauen mit einer seltsam verkehrten Sympathie. Eigentlich
will man dir zeigen, daß man sehr gut begreift, daß das Kinderkriegen kein
reines Vergnügen ist. Die Absicht ist löblich, aber die Methode ist falsch.
Außerdem ist man bestrebt, die Angelegenheit zu dramatisieren. Wenn eine
teilnahmsvolle Bekannte zu dir sagt: ›Ich habe eine Freundin, die hat gestern
einen siebeneinhalb Pfund schweren Jungen gekriegt...‹, wirst du nicht einmal
hinhören. Es muß ein fünfzehn Pfund schwerer Junge gewesen sein, und die Wehen
müssen mehrere Tage gedauert haben, besonders, wenn man mit dir redet, meine
liebe Mary!«
    Ich kramte die letzte meiner
Befürchtungen hervor. »Pete, hast du jemals eine Mißgeburt zur Welt gebracht?«
    »Nein, und ich habe monatlich mit
fünfzehn bis zwanzig Geburten zu tun. Ich habe dir hundertmal gesagt, du
Jammerliese, Geburtshilfe ist ein Broterwerb und wenig sensationell!« Er
lächelte, so daß die Grübchen sichtbar wurden, und streckte die Hand aus. »Gib
Onkel Pete das Buch, ich behalte es, bis wir niedergekommen sind. Wenn du den
unwiderstehlichen Drang verspürst, etwas zu lesen, halte dich an Joseph Conrad,
da kommen keine Frauen vor. Danke für den Lunch. Soll ich Dickerchen zu dir
sagen? Abkürzung für Dickbauch?«
    »Nein. Sag Pandi zu mir, Abkürzung für
Pandora.«
     
     
     
    6
     

Wehe den Wehleidigen!
     
    Am zweiundzwanzigsten Mai blickte ich
sehnsuchtsvoll mit der dumpfen Leidenschaft eines Sträflings, der von seinen
Zellenfenster aus den freien Flug der Vögel betrachtet, über die Straße zum
Entbindungsheim hinüber. Die blauen Lichter des Kreißzimmers schimmerten
trügerisch wie Irrwische, und unablässig winkten mir die flatternden Vorhänge
der Krankensäle.
    Ich drehte mich um und musterte mit
tiefem Abscheu unsere Wohnung. Die dunklen Räume lagen in einer Reihe wie
Pullmanwagen — Eßzimmer, Küche, Schlafzimmer, Badezimmer, Schlafzimmer. Die
Fenster in sämtlichen Räumen waren nahe an eine riesige Mietskaserne gepreßt.
Wenn wir reinemachen wollten, mußten wir alle Lichter brennen lassen — wie in
einem Kreißzimmer. Alles und jedes erinnerte mich an den einzigen Ausweg, der
mir offenstand!
    Wir waren ursprünglich nur deshalb
hierher übersiedelt, weil die dankbare Patientin aus Alaska zurückgekehrt war,
sich Hals über Kopf entschlossen hatte, ihr Haus zu verkaufen, und uns vor die
Wahl gestellt hatte, es zu kaufen oder binnen zwei Wochen auszuziehen. Wir
hatten nicht genug Geld für die Anzahlung. Dafür hatten Jims neue Erwerbungen
gesorgt — ein Stoffwechselapparat und ein Elektrokardiograph.
    Zwei Tage vor unserem Auszug — ich war
seit einigen Monaten schwanger, und Maggies Schwangerschaft hatte soeben
begonnen — saßen wir beide im Eßzimmer, tranken Kaffee und warteten auf Pete
und Jim, die uns abholen sollten, um mit uns zu essen. Maggie lief hin und her
und drehte das Gas unter dem Kessel an. »Warum soll ich nicht noch eine Tasse
trinken — mir wird zwar schlecht davon, aber es wird mir ja von allem
schlecht.« Sie zündete eine Zigarette an, drückte sie aus und schüttelte sich.
»Nie wieder wirst du so bequem wohnen! Hättest du nicht gleich wissen müssen,
daß diese dumme Yankeeperson das Haus verscheuern wird? Die Leute hier im
Norden wechseln die Häuser so oft wie ihre Leibwäsche — das kann ich beschwören!
Bei uns im Süden wohnen Generationen unter demselben Dach.«
    »Sie übersiedelt nach New York und muß
verkaufen. Ich ziehe auch nicht gern von hier weg, aber wenn erst das Kind da
ist, werden wir vielleicht so viel Geld gespart haben, daß wir ein eigenes Haus
anzahlen können.«
    »Vorausgesetzt, daß ihr nicht genügend
gespart habt, um neue Apparate anzuzahlen!« Maggie seufzte. »Wenn wir nicht
bald aus dem Brutkasten ‘raus sind, in dem wir hausen, bringe ich mich um. Tag
und Nacht eine Hitze wie in einem Backofen, und Pete ist so füllig — wenn er
sich bewegt, muß ich mich ins Badezimmer verkriechen, damit er mich nicht
umrennt. Ich hasse Mietwohnungen — habe sie schon immer gehaßt!«
    Die Eingangstür wurde geöffnet, Jim und
Pete platzten herein. Sie hatten nicht Golf gespielt, sondern den ganzen
Nachmittag über Wohnungen gesucht und zwei im gleichen Haus gefunden. Na, sind
sie nicht brave Familienväter? Sie würden uns jetzt die neuen Nester zeigen und
dann mit uns essen gehen.
    Jim hielt gegenüber dem Entbindungsheim.
Maggie protestierte: »Nein, Pete,

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