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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Ordnung bringst! Du wirst sie im Krankenhaus dringend brauchen.«
    »Ich habe zu packen angefangen und im
Schrank die Stiefel gefunden, und sie kamen mir so trocken vor...« Er half mir
auf die Beine, es fiel mir verdammt schwer. »Jim — meinst du — vielleicht heute
nacht?«
    »Vielleicht. Hast du ein Haus
gefunden?«
    »Nein. Ich habe einen riesigen
Kühlschrank gesehen — für 13 000 Dollar — mit der Aussicht auf das Hamilton-Gymnasium.«
    »Essen wir!«
    Am einundzwanzigsten Mai wurde ich mit
dem Porzellan und den Büchern fertig, und meine Unruhe zwang mich, den
fleckenlosen Wohnzimmerteppich zum drittenmal am selben Tag staubzusaugen. Jim
stand auf der Schwelle und grinste.
    »Jetzt weiß ich, woran du mich
erinnerst — der gelbe Kittel trägt zu der Illusion bei: an eine städtische
Straßenkehrmaschine!« Er trat zu mir, während ich sehnsuchtsvoll zur Klinik
hinüberstarrte. »Hast du schon daran gedacht, im Park neben dem Weiher ein Zelt
aufzuschlagen — mit der Aussicht aufs Wasser?«
    Ich schüttelte seinen Arm ab. »Mir wäre
lieber, du würdest mir auf dem Rasen der Klinik ein Zelt aufschlagen, damit die
Sache endlich überstanden ist. Glaubst du — vielleicht —?«
    »Vielleicht. Was für ein Haus hat man
dir heute gezeigt?«
    »Gar keins. Ich habe bereits sämtliche
vorhandenen Häuser besichtigt. Heute habe ich mir eine Wohnung im zweiten Stock
angesehen — hundertfünfzig Dollar im Monat — Kinder und Hunde nicht erlaubt. Was
machen die Leute, die Kinder und Hunde haben? Ertränken sie sie?«
    Am zweiundzwanzigsten Mai stand ich
wieder am Fenster und blickte zur Klinik hinüber. Die zusätzliche Qual, Pete
die Stufen zum Krankenhaus hinaufeilen zu sehen, erinnerte mich an meine tägliche
Kalziumdosis, und ich begab mich in die Küche. Die Wohnung war jetzt nicht nur
finster und häßlich, sondern außerdem kahl wie ein herbstlich entlaubter Baum,
hier und dort standen Kisten verstreut wie die letzten dürren Blätter. Wenn es
mir je gelingen sollte, ein Haus zu finden, würden sie mich im Sarg
hinaustragen müssen. Nichts und niemand würde mich je dazu zwingen können,
auszuziehen!
    Ich kehrte mit dem verhaßten Kalzium
ans Fenster zurück und gab mich wieder meiner Sehnsucht hin.
    Der Sopran an der anderen Seite des
Flurs übte die Habanera aus Carmen. Sie fing mit dem E über dem mittleren C an.
»La-al-la la-la-la-la-lala.« Ruckweise rutschte sie die Skala hinunter und
landete auf einem unsicheren B. Dann schlug sie sich selber zur Mahnung auf dem
Klavier ein B an und begann von neuem: »Die Liebe vom Zigeuner stammt...« Sie
landete auf einem Ces und schlug mehrere Male das B an. Diesmal begann sie mit
einem leicht erhöhten E. Ich plärrte mit lauter Stimme:
     
    »Die
Liebe vom Zigeuner stammt
    Sie
macht mich schwanger und obdachlos...!«
     
    - knallte die Flurtür zu und kehrte ans
Fenster zurück, um zu den Fenstern des Kreißzimmers hinüberzustarren.
    Gerade als der Sopran auf einem A
landete, öffnete Jim die Tür. Ich drehte mich um und stieß hervor: »Ich muß aus
dieser Wohnung ‘raus, sonst werde ich verrückt!«
    »Immer mit der Ruhe!« sagte Jim
mechanisch und ging in die Küche. Ich hörte die Tür des Kühlschranks zufallen
und die Brotdose klappern. — Flucht war mir zur Manie geworden.
    Um dieser Wohnung entfliehen zu können,
mußte ich ein Haus finden. Es war mir gleich, wie es aussah oder wo es lag —
ich wollte nur aus der Wohnung weg...
    Um meinem dicken Bauch zu entrinnen,
brauchte ich nur in die Klinik zu übersiedeln, aber da sich die regelmäßigen
Muskelkontraktionen, die man Wehen nennt, nicht einstellen wollten, war mir
vorläufig auch dieser Ausweg versperrt.
    Jim wollte mich von einem Sandwich
abbeißen lassen, das von Pickles, Anchovis, Mostrich und rohen Zwiebeln
überquoll. Ich sagte mit zusammengepreßten Lippen »Danke, nein!« und sah zu,
wie sich seine Kinnmuskeln beim Kauen bewegten.
    Nicht mehr zusehen müssen, wie Jim
unbekümmert sein Brötchen kaut, während ich wilde Qualen leide!
    »Kau nicht so! Ist eine Induktion
gefährlich?«
    »Nein, aber überflüssig. Ich möchte
wetten, du findest nur deshalb kein Haus, weil du zu große Ansprüche stellst.
In der Schwangerschaft werden Frauen unvernünftig.«
    »Unvernünftig!« schrillte ich.
    »Nicht schreien!« Er legte den Arm um
mich und klopfte mir tröstend auf die Schulter.
    »Die Grundstücksagenten haben Angst,
daß ich in ihrem Firmenauto niederkomme. Sie zeigen mir irgend

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