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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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etwas, nur um
mich schnell loszuwerden. Der plärrende Sopran vis-à-vis singt die ganze Zeit
falsch, mein Bauch ist so dick, daß ich meine Füße nicht mehr sehen kann, und
es gibt keinen Ausweg!«
    Jim trocknete mit dem Taschentuch meine
Tränen und sagte: »Komm, wir machen uns vor dem Essen auf die Häusersuche!«
    Alles was ich sah, kam mir fett vor.
Fette Fähren schwammen auf dem Wasser der Bucht, emsig zwischen den Inseln hin
und her eilend. Schwerbeladene Busse wackelten unbeholfen vorbei. Dicke
Hausfrauen standen vor ihren Haustüren und riefen die Kinder zum Essen. Sogar
die Automobile sahen von vorn fett und plump aus.
    »Ich möchte mir gern ein Windhundrennen
ansehen!« Meine Stimme klang immer noch weinerlich. »Werde ich gleich nach der
Geburt dünn wie ein Zwirnsfaden sein? Aber ich kann ja nicht gebären, solange
wir kein Haus gefunden haben.«
    »Vermutlich!« Jim wich einem bauchigen
Tankauto aus. »Mit dem ersten Kind ist es immer schwierig, Mary! Du empfindest
alle die Unbehaglichkeiten und Entstellungen, die die Schwangerschaft mit sich
bringt, ohne richtig zu begreifen, was dein Zustand eigentlich bedeutet.«
    Die Erleichterung, die mich überkam,
war fast unwahrscheinlich. Nicht nur, daß mich unaufhörlich die Angst vor dem
Unbekannten gepeinigt hatte, ich ging auch mit einem ständigen Schuldgefühl
umher, weil mein Zustand mich nicht zu Tränen rührte. Ich wollte von ganzem
Herzen ein Kind haben, aber die neun Monate, die man so schön als die Zeit der
›Hoffnung‹ bezeichnet, machten mir nicht den geringsten Spaß. Ja, mir war jede
Minute verhaßt. Ich fand es scheußlich, mich nicht ordentlich rühren zu können
und an allen Ecken und Enden gezwickt und gezwackt zu werden. Und am meisten
war mir zuwider, als eine Heulliese dazustehen. Bisher waren die
vielgepriesenen Mutterfreuden eine einzige Kette langweiliger Beschwerden
gewesen.
    Das alles hatte ich Jim soeben
ausführlich erzählt und wollte einen verspäteten Lobgesang auf seine
verständnisvolle und geduldige Haltung anstimmen, da durchzuckte mich plötzlich
am unteren Ende der Wirbelsäule ein gräßlicher Schmerz. Ich packte Jims Arm.
Beinahe wäre er mit einem Lastauto zusammengestoßen.
    »Die Wehen fangen an!«
    »Zum erstenmal seit Wochen klingt deine
Stimme begeistert! Wir werden uns Zeit lassen und sehen, ob sie regelmäßig
kommen.«
    Er sah auf die Uhr und teilte mir
gelassen mit, er habe ein Haus gefunden. Es war eines jener männlichen
Zauberkunststücke, die uns Frauen so verblüffen, daß wir uns fragen, warum wir
überhaupt noch etwas machen. Ein Patient war in der Praxis erschienen, um seine
Rechnung zu bezahlen, hatte erzählt, er sei nach Los Angeles versetzt worden,
und Jim ganz nebenbei gefragt, ob er ihm sein Haus abkaufen wolle. Er müsse
nächste Woche übersiedeln und würde gern die Familie mitnehmen.
    Jim sah mich von der Seite an. »Wir
können hinfahren und es uns ansehen, es wird dich ablenken! Reeves sagt, es
hätte eine schöne Aussicht und drei Schlafzimmer — es liegt im Seeviertel.«
    Wir parkten das Auto an einem steilen
Hang und gingen einen schmalen Fußpfad hinunter. Gleichsam festgeklammert an
einem schmalen Bergvorsprung standen da fünf kleine, unscheinbare Häuser im
holländischen Kolonialstil; jedes hatte einen sauber umzäunten oder mit einer
Hecke umgebenen Garten, und die Aussicht war so schön, daß es einem den Atem
verschlug. Mount Rainier war in rosige Schleier gehüllt, die Cascade Mountains
schimmerten, von den Schatten des ewigen Schnees umgeben, und die Wellen des
tiefblauen Sees trugen goldene oder rosarote Kronen.
    »Das dritte in der Reihe, das gelbe!«
sagte Jim. »Mit den vorspringenden Dachrinnen sieht es aus wie ein Pilz.«
    »Ich pfeife drauf, wie es aussieht!
Schau dir die Aussicht an!«
     
     
     
    7

Kundendienst
     
    Am siebenundzwanzigsten Mai blickte ich
wieder aus dem Fenster zu meinem Mekka hinüber. Den ganzen Tag hatte ich
Schmerzen im Rüchen, im Bauch und in den Fußgelenken, aber sie wollten sich
alle nicht nach dem Uhrzeiger richten. Die letzten fünf Tage hatte ich damit
zugebracht, Tapeten auszusuchen, im Geiste die Möbel zu arrangieren und die
telefonischen Anrufe zu beantworten, um den verschiedenen wohlgemeinten, aber
trotzdem aufreizenden Fragen mit einem ›Noch nicht!‹ zu begegnen.
    Alles war gepackt bis auf meine Krankenhaussachen,
eine Bratpfanne, zwei Kochtöpfe, zwei Messer, Gabeln und Löffel, zwei Teller,
zwei Tassen und Jims

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