Seuchenschiff
Lagerhaus düster, aber das Licht reichte aus, um zu erkennen, dass das Innere vollkommen leer war. Es gab noch nicht einmal Stützpfeiler für die Dachstreben, die die Monotonie des Betonbodens aufgelockert hätten. Wäre die Tür nicht so klein gewesen, Juan hätte auf einen Flugzeughangar getippt. Der Fußboden war einheitlich grau gestrichen und fleckenlos sauber. Als Juan das Gebäude betrat, nahm er den schwachen Geruch von Reinigungsmittel wahr.
»Sieht so aus, als seien uns die Heinzelmännchen zuvorgekommen, oder?«, scherzte Linc, als er hinter Juan stehen blieb.
Cabrillo schwieg. Er wusste genau, dass sie hier nichts finden würden, um Severance irgendein Vergehen anzuhängen, daher hätten sie auch kein Druckmittel, um Max freizupressen. Die Responsivisten hatten jeden Hinweis auf das beseitigt, was im Innern des Gebäudes vor sich gegangen war. Die Klimaanlagen waren verschwunden, desgleichen sämtliche Elektroleitungen und sanitären Anlagen – alles.
»Verdammte Zeitverschwendung«, meinte er schließlich voller Wut.
Linc war in die Hocke gegangen und untersuchte den Fußboden. Dann richtete er sich wieder auf. »Der Beton ist ziemlich abgenutzt. Ich vermute, dass er von den Japanern gegossen wurde, als sie das Gefangenenlager anlegten.«
»Wozu, zum Teufel, brauchten sie ein derart großes Gebäude?«, überlegte Juan laut. »Das Gelände ist viel zu wellig für einen Flugplatz, daher ist dies kein Hangar.«
»Keine Ahnung. Vielleicht irgendeine Art Lagerhalle?«
»Eine Fabrik«, sagte Juan. »Ich wette, sie haben hier Kriegsgefangene als Arbeitssklaven eingesetzt. Weiß Gott, das haben sie an jedem Ort gemacht, den sie besetzten.«
Linc tippte sich mit dem Finger gegen die Nase. »Sicher hast du recht.«
Juan holte sein Satellitentelefon hervor und wählte die Nummer der
Oregon.
Da Hali an der Tonbandaufnahme der Wanze arbeitete, bat er den Dienst habenden Kommunikationsexperten, ihn zu Eric Stone durchzustellen.
»Was gibt es, großer Meister?«, fragte Eric, als er sich über das Telefon in seiner Kabine meldete.
»Tu mir einen Gefallen und prüf mal nach, wie und wann die Japaner die Insel Bohol in den Philippinen besetzt haben. Ich möchte wissen, ob sie hier irgendwelche Gefängnisse oder Fabriken hatten.«
»Was, jetzt gleich?«
»Du kannst deinen Angriff auf Jannike Dahls Ehre auch noch später planen.«
»Okay. Warte einen Moment.« Die Verbindung war so klar, dass er hören konnte, wie Erics Finger hektisch über seine Computertastatur tanzten. »Ich hab da was. Es gab ein Gefängnis für einheimische Kriminelle, das im März 1943 auf der Insel eröffnet wurde. Geschlossen wurde es an dem Tag, an dem sich MacArthur zurückzog, nämlich am zwanzigsten Oktober 1944. Kontrolliert wurde es von einer sogenannten Einheit 731. Soll ich das auch überprüfen?«
»Nein«, sagte Juan. Im Gebäude herrschte mittlerweile eine Temperatur von an die sechzig Grad, aber Juan erschauerte, weil das Blut in seinen Adern plötzlich zu Eis gefror. »Ich weiß, was das bedeutet.«
Er trennte die Verbindung. »Dieser Ort war eine Todesfabrik«, sagte er zu Linc, »betrieben von einem Verein namens Einheit 731.«
»Davon habe ich noch nie gehört.«
»Das überrascht mich nicht. Im Gegensatz zu den Deutschen, die sich für den Holocaust offiziell entschuldigt haben, hat die japanische Regierung ihre eigenen Kriegsverbrechen niemals offen zugegeben, vor allem wurde nicht über die Einheit 731 gesprochen.«
»Was haben sie getan?«
»Sie hatten während der Besetzung überall in China Fabriken und Labors eingerichtet und waren für die biologische und chemische Kriegsführung der Japaner verantwortlich. Es gibt ernstzunehmende Berichte, dass die Einheit 731 und andere, die ebenso arbeiteten, mehr Menschen getötet haben, als in Hitlers Konzentrationslagern ums Leben kamen. Sie haben mit Gefangenen experimentiert, indem sie sie jedem zu diesem Zeitpunkt bekannten Virus ausgesetzt haben. Sie haben auf dem Land Beulenpest- und Typhusepidemien ausgelöst und mehrere chinesische Städte mit Anthrax verseucht. Manchmal haben sie Flugzeuge benutzt, die über der Landschaft Insekten mit den verschiedensten Krankheitserregern versprühten oder diese in spezielle Bomben packten und dann abwarfen. Eine weitere beliebte Methode bestand darin, sich der örtlichen Wasserversorgung zu bemächtigen und die Trinkwasservorräte zu verseuchen.«
»Und damit sind sie durchgekommen?«
»Jahrelang. Ein anderer Teil
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