Sevenheart (1) - Gefährliche Zeiten (German Edition)
Außerdem hatte sie eine unglaubliche Energie und Ausstrahlung, die ich noch bei keinem Menschen gesehen hatte. Ihre Gabe war das Feuer. Es war eine einmalige Gabe. Clodagh wurde dadurch sehr stark. Und gefährlich. Wie eine tickende Zeitbombe, die jeder Zeit hochgehen könnte.
Die nächsten Wochen bestanden bei mir nur aus üben, zum Teil auch aus essen und schlafen. So, wie sie mir schon am Anfang versprochen hatte, fand ich Gefallen an der Zauberei und nutze jede freie Minute, die ich hatte, zum Üben.
Ich hatte keine Zeit mehr für Seth, meine Familie oder die Tiere.
Meine Familie machte sich große Sorgen um mich. Ich gab ihnen vor, krank zu sein. Immer, wenn sie zu mir ins Zimmer kamen, las ich ein Buch. Sobald sie weg waren, packte ich das Buch weg und begann, mich auf meinen Geist zu konzentrieren.
Abends sagte ich ihnen, dass ich schlafen ging, stattdessen kam jedoch Clodagh in mein Zimmer und ich übte dort mit ihr stundenlang.
Seth merkte zwar, dass ich mich anders verhielt, doch er schob es auf meine angebliche Krankheit.
Nach der zweiten Woche kam auch mein Vater wieder und es verstörte mich, wenn ich ihn abends spät in seinem Zimmer sitzen sah. Ich wusste, dass er sich um mich sorgte und das Schlimmste daran war, dass ich es ihm nicht erklären konnte.
Nach Sonnenaufgang konnte ich es wieder nicht abwarten und suchte mir im Wald ein ruhiges Plätzchen, wo ich üben konnte.
In der Nähe einer Tanne fand ich einen großen, flachen Stein.
Ich versetzte mich wieder in meine Trance. Es war einfach und ging mittlerweile fast automatisch.
Ich stellte mir meine Umgebung vor.
Der Wald. Der großen Stein, auf dem ich saß. Die Tannen.
Ich konnte auch alles sehen, was ich zuvor noch nicht gesehen hatte. Es waren nicht meine Augen, die sich verschärfet hatten, sondern es war mein Geist, über den ich nun mehr Kontrolle verfügte.
Ich sah das Gras und jeden einzelnen Käfer, der sich dort bewegte. Spürte, wie der Wind jedes der kleinen Grashälmchen bog und wie die Sonne darauf schien.
Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Es war ein verdammt unglaubliches Gefühl, mit dem Geist zu sehen.
Doch als ich weiter blicken wollte, ging es nicht. Alles, was außerhalb des Waldes war, konnte ich mit meinem Geist nicht mehr sehen.
Ich versuchte es noch einmal. Ein schmerzhaftes Stechen durchzog meinen Kopf. Es war, als würde sich eine schwarze Wand vor meinen Augen bilden. Und mein Geist war wieder da, wo ich saß. Zurück zu dem Stein und der alten Tanne.
Abrupt öffnete ich die Augen.
Ich fühlte mich plötzlich richtig erschöpft und hatte den Drang, mich hinzulegen. Der Wackelpudding unter mir, in den sich meine Beine verwandelt hatten, drohte nachzugeben. Irgendetwas hinter dem Wald hatte mich verstört. Von meinen Augenwinkeln aus überkam mich plötzlich eine zunehmende Schwärze. Ich ging zwei Schritte und spürte nur noch, wie ich ins weiche Gras fiel.
Vielleicht war ich noch nicht bereit dafür- ich wusste es nicht.
Als ich wieder aufwachte, war es schon dunkel. Ich verfluchte die Zauberei. Wieder war ich zu spät zu Clodaghs Unterricht, und auch mein Abendessen konnte ich mir abschminken.
Beim Gedanken daran zog sich mein Magen zusammen.
Ich stand auf und lief durch den Wald. Vor unserem großen Tor angekommen, hörte ich ein Knurren. Ruckartig drehte ich mich um, aber ich sah nur etwas in den Wald verschwinden.
Dann rannte ich ins Haus.
Als ich im Wohnzimmer ankam, war ich außer Atmen.
Sie wartete dort schon auf mich.
„Wo hast du dich rumgetrieben, Kind?“
Ich brauchte einen Moment, um Luft zu holen.
„Ich habe heute Mittag geübt und war so erschöpft, dass ich einschlief“
Sie kniff ihre Augen zusammen.
„Mir ist es egal, ob du zu spät kommst, doch ich verlasse mich darauf, dass du nicht mit deiner Hose hier erscheinst“
Ich nickte leicht.
„Also gut. Erzähl mir, was du heute gemacht hast“, sagte sie und lehnte sich in dem Sessel zurück.
„Ich bin in den Wald gegangen, um zu üben. Ich konnte mit meinem Geist alles sehen, ohne die Augen zu öffnen. Einfach alles-“
„Weiter. Was hat dich so erschöpft?“
Sie klang etwas desinteressiert.
„Als ich hinter den Wald sehen wollte, ging es nicht mehr. Dort war plötzlich eine schwarze Wand und kurz danach bin ich vor Erschöpfung umgekippt“, erklärte ich leise.
Auf ihrer Stirn bildeten sich kleine Fältchen.
„Ich kann mir nicht erklären, was dich aus deiner Trance geholt haben könnte.
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