Sex and Crime auf Königsthronen
die sich – so sie nicht behandelt wird – schubweise verschlimmert, ist eine unzureichende Verwertung bestimmter Blutfarbstoffe, der Porphyrine (vom griechischen Wort für Purpur). Fehlen im Körper Enzyme, die die nötige Umwandlung der Porphyrine steuern, wird der Organismus davon überschwemmt. Was man am Urin eines Patienten erkennen kann, er wird dunkel wie Portwein.
Und genauso haben die Leibärzte des Königs die Harnfarbe ihres Herrschers beschrieben. Urinbeschau ist seit dem Mittelalter eine probate diagnostische Methode.
Die Heilmittel, die die Mediziner dem Regenten George III. verabreichen, könnten das Leiden allerdings verschlimmert statt gebessert haben. Der König schluckt etwa regelmäßig Brechweinstein gegen Verstopfung und Leibschmerzen. Das damals beliebte Mittelchen enthält hochgiftige Schwermetallverbindungen, die des Königs Koliken und Krämpfe drastisch verschlimmert und auch zu den psychotischen Schüben beigetragen haben können.
Eine im Jahr 2004 untersuchte Haarlocke Georges hat zumindest den Verdacht einer schleichenden Vergiftung mit verschiedenen Schwermetallen erhärtet, deren Konzentration im Haar weit über der kritischen Grenze lag.
Nebenher hat man den mental derangierten König zweifelhaften Frühformen psychiatrischer Behandlung unterworfen. 1801 wird der verwirrte König erstmals in eine Zwangsjacke gesteckt, mit Lederbändern an einen Holzstuhl geschnallt und von einem frühen Vorläufer der Seelenheilkunde systematisch angeschrien, gedeckelt und gemaßregelt. Ein wichtiges Therapieziel lautet, der royale Dauerbrabbler soll endlich die Klappe halten und sich benehmen, statt mit seinem Essen zu spielen und Teller durch die Luft zu werfen.
Der Geisteszustand macht dem königlichen Ärzteteam nämlich mehr Sorgen als die Leibschmerzen. »Delirierend den ganzen Tag«, notieren sie nach ihrem Besuch am Krankenbett häufig, »verfolgt von Trugbildern … spricht mit Toten und mit abwesenden Personen.«
Damit sorgen sie dafür, dass der arme George von Historikern bis ins 20. Jahrhundert hinein als komplett wahnsinniger König verstanden wird; tatsächlich hat er nach dem ersten Auftreten von Wahnschüben auch lange störungsfreie Perioden durchlebt.
Kulturhistoriker bemerken immerhin nicht zu Unrecht, dass der Fall des am Ende seines Lebens unheilbar delirierenden Monarchen dazu beigetragen hat, dass in England die Psychiatrie und die Versorgung von Geisteskranken früher gefördert und verbessert wurden als auf dem Kontinent.
Der derzeit in einer endlosen Warteschleife festsitzende Thronfolger Prinz Charles hat sich übrigens schon in jungen Jahren auf Porphyrie testen lassen. Ergebnis: negativ. Auch wenn der Kronprinz sich – wie oft berichtet und wie auch von Charles bestätigt – gelegentlich Kraft im Zwiegespräch mit Natur und Topfpflanzen sucht und bei Selbstgesprächen über seine Ehekrise mit der verstorbenen Di in Gegenwart seiner Hühner auf Highgrove beobachtet wurde, neigt er nicht zu Halluzinationen. Ein jeder möge sich in dieser Hinsicht selbst an mehr oder minder stumme Debatten mit Schirmständern oder mit seinem Dackel erinnern.
Großbritannien wird also voraussichtlich von einem mental stabilen neuen Staatsoberhaupt repräsentiert werden, wenn die Queen dereinst ihrem Schöpfer gegenübertritt. Das Wunder ist, dass Charles das überhaupt noch darf und dass Staatsoberhäupter mit Krone in Großbritannien immer noch mehrheitlich erwünscht sind.
Schon 1850 witzelt die englische Presse über die jeweiligen Prinzen von Wales nur noch als »stellungslose junge Männer« und Taugenichtse mit »zu viel Freizeit«. Die Frömmigkeit des Mittelalters ist längst perdu, das absolute Königtum out und die moderne Wohltätigkeitsmonarchie noch nicht erfunden.
Seinen Jahrhunderttiefpunkt erlebt Englands Monarchie in den Augen der britischen Untertanen unter König George IV. (1762–1830), lebenslang »Prinny« (Prinzchen) genannt. Der Sohn des verrückten König George III. ist der vierte Herrscher aus dem Hause Hannover, das nunmehr seit 1714 den britischen Thron bestückt.
Prinny bricht einige royale Rekorde in unbedachtem bis dummem Benehmen, und das obwohl Bürger, Parlament und Presse wachsamer und aufgeweckter sind als je zuvor.
Die lustigen Prinzen von Windsor
Im Jahr 1811 übernimmt Prinny die Herrschaft zunächst als Regent für seinen unheilbar kranken und geistesabwesenden Vater. Der nunmehr das Königsamt verwaltende Prinz von Wales ist seit
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