Sex and Crime auf Königsthronen
Die Heirat zwischen Schwager und Schwägerin ist demgemäß strengstens verboten. Womit wir wieder bei den Verlobungsfeilschereien um Englands Prinz Heinrich und die spanische Katharina sind.
Deren Vater Ferdinand hat einen guten Draht zum Papst und fragt in Rom erst einmal um einen Ehedispens an.
Da niemand wirklich annimmt, dass der kränkelnde, Blut spuckende kaum 16-jährige Arthur fleischlichen Umgang mit Katharina gehabt hat, erteilt der Heilige Vater, Papst Julius II., die Eheerlaubnis mit links. Mit der Rechten unterschreibt er die Quittung über einige Golddublonen.
Vater Ferdinand hat übrigens – da doppelt besser hält – um zwei Ehedispense gebeten. Einen wegen Nichtvollzugs der Ehe Katharina – Arthur und einen, der auch im Falle eines stattgefundenen Vollzugs gilt. Die wichtige Allianz Spanien – England, mit der er Frankreich hübsch in die Zange nehmen kann, soll nicht an einem Jungfernhäutchen hängen.
Julius II. hat den zweiten Antrag anscheinend schlicht verschusselt oder das Kleingedruckte überlesen. Seine Eheerlaubnis gilt nur, wenn Katharina und Arthur nicht … Sie wissen schon. Schwamm drüber, so genau liest das zu diesem Zeitpunkt niemand. Viel später wird die Schlamperei des Vatikans einen Ehescheidungsprozess und eine Katastrophe von Weltbedeutung auslösen.
Aber erst mal steht einer Verlobung und der späteren Hochzeit zwischen Prinz Heinrich und Witwe Katharina nichts mehr im Wege. Bis auf die Finanzfragen, die der so kostenbewusste wie geldgierige Heinrich VII. besonders gern erörtert.
Er verlangt eine Erhöhung der Mitgift für die Secondhandbraut Katharina. Spaniens Ferdinand möchte den Gegenwert ihres mitgebrachten Goldgeschirrs und ihrer Betttücher anrechnen. Heinrich lehnt gebrauchtes Porzellan und Bettwäsche ab. Über die zähe Feilscherei gerät Katharina in eine triste Warteschleife und wird zu König Heinrichs Geisel.
Englands Monarch hält die Prinzessin und Witwe finanziell so kurz, dass sie in einem feuchten Londoner Palais hungern und Schulden machen muss. Nach dem Tod ihrer Mutter Isabella im Jahr 1504, die hin und wieder die Außenstände beglichen hat, wird Katharinas Auskommen noch karger. Ihr Vater Ferdinand schickt nicht einmal Geld für unbezahlte Lebensmittelrechnungen. Aus Angst, dass der Schwiegervater es kassieren könnte.
Katharina lebt von Wildbret und guten Gaben befreundeter Adliger, dann muss sie an den Hof Heinrichs VII. übersiedeln, der ihr winzige Kammern, kaum Personal und Resteessen von der Königstafel gewährt.
1506 bringt er noch mal die Idee aufs Tapet, Katharina selber zu ehelichen, um deren Morgengabe einbehalten zu dürfen. Wahlweise würde er auch Katharinas frisch verwitwete ältere Schwester Johanna nehmen. Die gilt zwar als wahnsinnig, brächte aber noch mehr Geld und sogar die Krone von Kastilien als Brautschatz ein. In Spanien dürfen Frauen nämlich den Thron erben.
Kommt überhaupt nicht infrage, findet Ferdinand, der Kastiliens Krone selber behalten will. Das Heiratsgezänk verkommt zu einer Brautauktion der übelsten Sorte.
Handelsobjekt Katharina findet Trost bei Gebet und strengsten Fastenübungen – vielleicht eine Frühform der Essstörung, die noch heute bei unglücklichen Prinzessinnen gang und gäbe ist. Papst Julius II. verbietet Katharina höchstpersönlich das Hungern, damit sie fit für das ein oder andere Königsbett bleibt. Psychotherapie ist damals nun mal unbekannt; päpstliche Seelsorge muss als Heilmittel reichen.
Das Dramolett um die junge Spanierin gehört zu Londons liebstem Gassengeschwätz, und – siehe oben – ihr heftig pubertierender Vertrags-Verlobter Heinrich schwärmt die verkaufte Braut aus der Ferne heftig an. Zur Überraschung von Hof und Untertanen erklärt er allerdings am 27. Juni 1505 – dem Vorabend seines 14. Geburtstages, mit dem er heiratsfähig wird –, dass er die Verlobung aufhebt. Sein Vater hat bei diesem Auftritt Regie geführt, weil er inzwischen eine lukrativere Ehe für ihn plant.
Dass sein Sohn schon damals anders denkt und fühlt, wird klar, als Heinrich im Sommer nach seiner Thronbesteigung und noch während der Trauerzeit um seinen Vater die spanische Prinzessin zum Altar führt, obwohl ihre restliche Mitgift noch aussteht.
Heinrichs zähe Oma Margarete Beaufort – ja, sie lebt noch – grummelt zwar, stimmt aber zu. Vor allem, weil ihr Enkel im Mai bei der Trauerzeremonie für Heinrich VII. ihr den Sitzplatz neben sich freihält statt seiner Braut
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