Sex and Crime auf Königsthronen
Katharina. Die machtbesessene Schwieger- und Großmutter Margarete stirbt kurz nach der Hochzeit des Enkels zufrieden und in dem Bewusstsein, dass sie die einzig wahre First Lady der Tudors ist.
Lady Beaufort wird in einer Seitennische von Westminister vis-à-vis vom Grabmal ihres Sohnes bestattet. So hat sie ihn aus dem Grab heraus weiterhin unter Kontrolle. Gönnen wir der ehemaligen Kindsbraut ihre Art des Happy Ends.
Ihr 18-jähriger Enkel beweist mit seiner ersten Hochzeit einen Hang zu anderen Quellen des Glücks. Seinem Schwiegervater Ferdinand schreibt er kurz nach der Vermählung begeistert. »Unsere Liebe blüht und wächst täglich. Selbst wenn wir noch frei wären, wäre es sie, die wir wählen würden.« Mit »wir« meint Heinrich »er«, also sich, also ich, na ja, Sie wissen schon, er nutzt das königliche »wir«, den Pluralis Majestatis, als persönliches Fürwort. Amouröse Romantik wird unserer, also Ihrer Majestät, ein Leben lang wichtig sein und ihr viel Ärger bescheren – erst recht seinen Frauen.
Jetzt aber jubelt ganz London. Mit der Märchenhochzeit scheinen goldene Zeiten anzubrechen, das blutige Geschäft des Kriegs scheint Vergangenheit. Heinrich gilt als Make-Love-not-War-Prinz. Eine optische Täuschung, auch wenn es zunächst nach Friede, Freude, Eierkuchen für alle aussieht.
Das Leben ein Fest
Heinrich überlässt die Regierungsgeschäfte rasch Beratern wie Thomas Wolsey, dem hochintelligenten Sohn eines Fleischers, der es noch zum Lordkanzler Englands, zum Kardinal und zum mächtigsten Politiker der Insel bringen wird.
Die Entscheidung für den 34-jährigen Wolsey ist keine übereilte, sondern eine genau kalkulierte Wahl des jungen Königs. Sie dämmt den Einfluss der Adligen ein, und Wolsey, ein Aufsteiger wie Heinrich selbst, ist bestrebt, dem Tudor alles zu geben, wonach dessen Herz verlangt. Etwa die neue Anrede »Ihre Majestät« statt »Hoheit« und genug Geld, um sich auszutoben und sich königlich zu amüsieren.
Wolsey ist übrigens im Herzen tatsächlich ein Friedenspolitiker. Dass er sich nebenher die Taschen aus der Krontruhe vollstopft, ist ein anderes Thema. Jetzt tut er alles dafür, Jung Heinrich von Staatsgeschäft und teuren Kriegen abzulenken. Mit Erfolg.
Statt bei Schlachten anzutreten, reitet der frisch vermählte Monarch als »Ritter treues Herz« ( Loyalheart ) für seine Lady Katharina in endloser Serie Turniere. Wämser, Wappen, Palastwände und Kirchenstühle werden mit ineinander verschlungenen Hs und Ks geziert, die Tudor-Rose durch Katharinas heraldischen Granatapfel ergänzt.
»Das Leben am königlichen Hofe ist ein immerwährendes Fest. Maskeraden und Komödien, Lanzenstechen und Turniere, Konzerte Tag und Nacht«, berichtet die Spanierin ihrem Vater Ferdinand nach Hause. Heinrich macht aus seinem Hof ein zweites Camelot. Er führt venezianische Maskenspiele ein. Gemeinsam reiten Katharina und Heinrich auf die Falkenjagd. Bei Tafeleien schwimmen blattvergoldete Pfauen in mit Silberpulver gebundenen Soßen. Zum Dessert bringt Heinrich selbst gedichtetes Liedgut zum Vortrag. Songs mit vielsagenden Titeln wie Pasttime and good company (Vergnügungen und gute Gefährten). Jeden Abend wird getanzt.
Katharina betört Heinrich mit temperamentvollen spanischen Sprungtänzen, er revanchiert sich mit Theaterinszenierungen, bei denen Höflinge und Hofdamen, als Feen, Gnome und Ritter gewandet, qualmende Pappburgen stürmen und Feuer speiende Drachen erlegen. Gern unter seiner Führung als Gott des Krieges.
Sehen solche Spielzeugkriege nach einem neuen Warlord aus? Eher nach einem bis über beide Ohren in sich und seine Braut vernarrten König. Keine Frage, die beiden sind nicht nur an Erhalt und Produktion einer adligen Blutlinie interessiert, sie haben Gefallen aneinander.
Nach Mitternacht erobert Heinrich seine Herzdame gelegentlich als Robin Hood oder als türkischer Sultan verkleidet in ihren Schlafgemächern. Mit erfreulichen Folgen. Die Königin wird wenige Monate nach ihrer Hochzeit schwanger.
Die fromme Gattin spricht Dankgebete, ihr Bauch rundet sich zusehends. Traditionsgemäß wird Heinrich aus dem Himmelbett ausquartiert – Sex während einer Schwangerschaft gilt als unrein. Die Königin muss sich in den letzten Schwangerschaftswochen in eine abgedunkelte Kammer zurückziehen. Gelüftet wird nicht, dafür geräuchert, um schädliche Dünste, Miasmen genannt, zu eliminieren. Das ist Gynäkologie à la Tudors. Umgeben von Hebamme, ein paar
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