Sex and Crime auf Königsthronen
Klatsch, sondern um künftige Weltpolitik.
Arthur soll nach einer Nacht im Ehebett demonstrativ aus den Schlafgemächern gestürzt sein und vor versammelter Mannschaft nach Ale verlangt haben. Mit den Worten: »Ich bin sehr durstig. Ich war heute Nacht mehrmals mitten in Spanien, und es ist sehr heiß dort.«
Klingt schwer nach starken Teeniesprüchen. Tatsache ist, dass Arthur nur fünf Monate nach der Hochzeit das Zeitliche segnet, nicht wegen sexueller Verausgabung, sondern dank einer Lungenentzündung, der Schwindsucht oder – so neueste Vermutungen – weil er unter Hodenkrebs litt.
Katharinas Vater Ferdinand will nach Arthurs Hinscheiden die Mitgift zurück. Arthurs Vater hingegen fordert die Auszahlung des Restes. Schließlich hat die Ehe ja irgendwie stattgefunden.
Die 17-jährige Witwe möchte am liebsten nach Hause, aber Heinrich VII. lässt sie nicht gehen, und ihr Vater Ferdinand will sie nicht wiederhaben. Er braucht das Bündnis mit England, weil er an Spaniens Grenze ständig in Scharmützel mit Frankreich verstrickt ist. Sein Kalkül: England kann die Franzosen von Norden her militärisch ärgern und ablenken.
Deshalb schlägt Ferdinand vor, Katharina mit dem nun elfjährigen Heinrich zu verloben. Im Gegenzug verspricht er, den Rest der versprochenen Mitgift zu zahlen.
Kirchenrechtlich hat diese politisch praktische Lösung einen Haken: Schwager Heinrich und seine Schwägerin gelten aufgrund von Katharinas Ehe mit Arthur als Blutsverwandte. Laut Bibel sind Schwager-Ehen Inzest und nicht erlaubt. In Leviticus , Kapitel 18, Vers 16 heißt es: »Du sollst deines Bruders Weibes Blöße nicht aufdecken; denn sie ist deines Bruders Blöße.«
Papa Heinrich VII. – gerade verwitwet – schlägt Katharinas Vater Ferdinand sich selbst als neuen Bräutigam der vierzig Jahre jüngeren Katharina vor. Ferdinand hält das für ein schlechtes Geschäft. Er will einen jungen, kriegsbegeisterten Schwiegersohn wie Heinrich junior und keinen alten Pfennigfuchser, der so durchtrieben ist wie er selber.
Heinrich VII. gibt sich daraufhin moralischer als der Papst und beharrt darauf, dass eine Ehe zwischen Katharina und Heinrich junior nun mal Inzest ist. Dass in seinem Fall das Gleiche gilt, scheint der Tudor zu übersehen. Auch Schwiegerväter und Schwiegertöchter gelten als Blutsverwandte.
Das klingt heute recht skurril, es ist aber ein heißes Thema im Europa des Mittelalters. Gestatten Sie mir einen amüsanten Kurzausflug ins katholische Eherecht:
Die Kirche versucht mit Beginn des Mittelalters Ehen unter Verwandten zu verhindern. Löblich. Im 6. Jahrhundert nach Christus werden auch Heiraten zwischen Gatten verboten, die im dritten Grad miteinander verwandt sind. Um 800 lässt Papst Leo III. († 816) sogar den Ringtausch zwischen Verwandten siebten Grades verbieten. Die hübsche Begründung: Der Herr ruhte am siebten Tag von seinen Werken aus. Danach neigt die Kirche – erbgenetisch betrachtet – zu absurden Übertreibungen.
Seit 867 dürfen keine Ehen zwischen Täuflingen und ihren Paten oder deren Kindern mehr geschlossen werden, da zwischen ihnen »geistliche Verwandtschaft« vorliegt. Und jetzt bitte festhalten oder, falls Sie vor oder um 1980 katholisch getraut wurden, schnell mal im Taufbrief nachschlagen: Dieses Ehehindernis hat die katholische Kirche erst anno 1983 aufgehoben!
Zurück ins Mittelalter. Auf dem Laterankonzil von 1215 wird festgelegt, dass Brautleute nicht vor den Traualtar dürfen, wenn eine Verwandtschaft bis zum vierten Grade vorliegt. Das heißt: Verlobte mit einer identischen Urgroßmutter haben keine Chance, außer der Papst gibt den Segen und den Dispens – also eine Ausnahmegenehmigung – dazu. Gegen Geld, versteht sich.
Wer zum Adelsstand gehört, erhält diese Ausnahmegenehmigung in der Folge schnell. Etwa die aus Österreich stammenden Habsburger – Born der meisten europäischen Kaiser. Sie heiraten im 16. Jahrhundert, also zu Heinrichs Tagen – fast ausschließlich untereinander. Entweder werden Cousin und Cousine oder Onkel und Nichte miteinander vermählt.
Ehedispense werden für den Vatikan zum ungeheuer einträglichen Geschäft. Mal springt sehr viel Bares, mal ein Militärbündnis dabei heraus. Kein Wunder, dass der Heilige Stuhl den Handel ausdehnt. Auch wenn »Schwägerschaft aus unerlaubtem Beischlaf« vorliegt, also ein Mann die Schwester einer Frau heiraten will, mit der er ein sexuelles Techtelmechtel hatte, verbietet die Kirche die Eheschließung.
Weitere Kostenlose Bücher