Sex and the Office
Stelle und einen Verlobungsring am Finger. Klingt wie ein modernes Märchen? War es auch, nur leider vertrat meine Mutter deswegen den Standpunkt, reich zu heiratet sei wichtiger als beruflicher Erfolg.
»Hast du eigentlich mal etwas von Papa gehört?«, fragte ich, nachdem ich mich wieder etwas gefasst hatte.
Mutter schüttelte den Kopf. »Und ehrlich gesagt, bin ich heilfroh darüber.«
»Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist?«, fragte ich besorgt.
»Dann hätte der liebe Gott meine Gebete endlich erhört.«
Ich verkniff mir einen Kommentar und schulterte meine Tasche.
»Wie ist eigentlich dein Interview mit Adrien Cooper gelaufen?« fragte sie noch, als ich schon fast aus der Tür war. »Hast du mir ein Autogramm mitgebracht?«
Ich musterte sie aus schmalen Augen. »Was willst du? Den Dolch noch tiefer in mich hineinstoßen?«
Ihre Brauen fuhren in die Höhe. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Wenn das so ist, dann lies das hier!« Ich reichte ihr die Zeitung vom Tisch. Der Appetit war mir inzwischen vergangen, und so warf ich meine Leberwurststulle in den Müll und ging aus dem Haus.
13
Auf dem Weg in die Redaktion ging mir der Artikel nicht aus dem Kopf. Wie ich so in der überfüllten U-Bahn stand, huschte mein Blick zwischen den umstehenden Fahrgästen hin und her, die von meinem gestrigen Fauxpas in der Zeitung lasen und darüber nur die Köpfe schüttelten. Immerhin zeigte nicht alle Welt mit dem Finger auf mich, denn zu meinem Glück war im Artikel lediglich von einer »Reporterin« die Rede. So bestand immerhin die null-Komma-eins-prozentige Chance, dass mein Ruf nicht bis ans Ende meiner Tage ruiniert sein würde. Zudem war mein Chef an diesem Tag zu einem Symposium in die Schweiz gereist, so schlimm konnte es also nicht werden. Selbst Tobi, dem ich eine halbe Stunde später im Aufzug des Senders begegnete und dem sonst kein Skandal entging, schien ahnungslos zu sein.
»Und, schon was rausgefunden, Sherlock?«, kam ich auf unsere kleine Unterredung auf dem Dach zurück. Tobi blickte von seinem Postwagen auf und bedachte mich mit einem verschwörerischen Lächeln. »Was diese Jenny Schmidt angeht, muss ich leider passen. Die Frau scheint ein Phantom zu sein. Aber offenbar hattest du den richtigen Riecher, was Wenzels Assistentin anbelangt.«
»Soll heißen?«
»Dass selbst eine Frau wie Claudia Krüger Leichen im Keller hat.«
Ich zog einen Mundwinkel hoch. »Lass mich raten, Sie ist einer Sekte beigetreten?«
»Kalt.«
»Doch nicht etwa verwerfliche Facebook-Fotos?«
Breit grinsend schob er seine dicke Brille mit dem Mittelfinger hoch. »Noch kälter.«
»Sie ist vorbestraft?«
»Nicht ganz.« Er presste die Lippen aufeinander. »Du hast es nicht von mir, versprochen?«
»Großes Praktikantinnenehrenwort«, sagte ich und hielt wie zum Schwur zwei Finger in die Höhe.
»Claudia Krüger war bereits mehrfach in psychiatrischer Behandlung.«
Ich sah Tobi mit halb geöffnetem Mund an. »Dann stimmt das also mit ihren Depressionen?«
Er zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich ist sie eine gesuchte Psychopathin und hat ihre Schreibtischunterlage und ihren Lampenschirm aus der Haut ungehorsamer Praktikanten gemacht.«
Ich musste lachen. »Und was ist der wahre Grund?«
Er schob seine Brille mit dem Mittelfinger hoch. »Irgendwas mit Burnout oder so, kein Wunder, so wie Wenzel die rumkommandiert.«
Ich blähte die Backen. »Ist das alles, was du über sie in Erfahrung bringen konntest?«
Er nickte. »Du wolltest, dass ich der Krüger auf den Zahn fühle, was ich hiermit getan habe. Woher kommt eigentlich dein plötzliches Interesse für Wenzels Assistentin?«
»Sagen wir so: Ich habe meine Gründe.« Wenn du gewinnen willst, kenne die Schwächen deiner Feinde, hatte ich Becks’ Stimme noch im Ohr. Nur leider war ich jetzt kein bisschen klüger.
Der Aufzug öffnete sich im vierten Stock. »Wenn du mal wieder ’n bisschen Gras brauchen solltest, weißt du ja, wo du mich findest«, meinte Tobi und schob seinen Postwagen hinaus. Ich schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, während ich, weiter über Claudia Krüger nachgrübelnd, in den sechsten Stock fuhr.
Kaum in der Redaktion angelangt, stellte ich verwundert fest, dass ein Großteil der Belegschaft bereits im Konferenzraum war. Seltsam, dabei war es erst kurz vor neun. Ich fragte mich, weshalb mich niemand darüber informiert hatte, dass die allmorgendliche Besprechung an diesem Morgen früher stattfand. Eilends lief ich
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