Sex and the Office
nichts. Im Alltag kleiden Sie sich eben nur wie ein Junge, gerade so, als wollten Sie sich in Ihren labbrigen Sachen verstecken. Dabei ist Ihre Figur gar nicht so übel, wenn ich das mal so sagen darf.«
Kopfschüttelnd lachte ich auf. »Danke für die Analyse, Doktor Freud. Sind Sie jetzt fertig?«
»Erst wenn wir beide noch einen kleinen Absacker an unserer Hotelbar genommen haben.«
Ich strich meinen Pony aus der Stirn und lächelte ihm zu. »Na schön, einen Drink.«
26
Etliche Drinks später fielen wir leise kichernd im Hotelzimmer ein. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, schlang ich einen Arm um Leon Wenzel. Das Zimmer schien sich zu drehen, als sich die Lippen von Leon Wenzel plötzlich meinen Hals hinauftasteten. Ich wich zurück, versuchte, den Blick scharf zu stellen und sah, wie Leon Wenzel mit einem lüsternen Grinsen auf mich zukam. Ich wollte erneut zurückweichen, doch meine Beine gehorchten mir nicht. Das Zimmer drehte sich schneller. Was um alles in der Welt tue ich hier eigentlich? »Stopp!«, entfuhr es mir, und ich riss abwehrend die Hände hoch. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Ach, kommen Sie, Charlotte – seien Sie keine Spielverderberin …«
Ich lachte auf. »Charlotte geht jetzt ins Bett.« Ich streifte meine Schuhe ab und ließ mich erschöpft auf die Couch fallen . »Und zwar allein.«
»… ganz sicher?« Er näherte sich mir erneut. Ich sah ihn an, sah ihn viel zu lange an. Und obwohl alles in diesem Moment falsch war, fühlte es sich doch irgendwie gut an. Ich konnte nun wirklich nicht behaupten, dass Leon Wenzel mir auf Anhieb sympathisch gewesen war. Genau genommen war er bei unserer ersten Begegnung vor dem Coffeeshop so ziemlich der letzte Mann auf Erden gewesen, mit dem ich ins Bett gestiegen wäre. Und obwohl er gut zehn Jahre älter war und mir sein Machogehabe noch immer gehörig auf den Zeiger ging, hatte er etwas an sich, das mir gefiel. Vielleicht war es seine forsche und zugleich noch immer jungenhafte Art oder aber die Selbstverständlichkeit, mit der er die Dinge sah. Zudem zählte Leon Wenzel nicht unbedingt zu jenen Männern, die frau von der Bettkante stieß, und anders als die Typen, mit denen ich bislang zu tun hatte, war er sich seiner Wirkung durchaus bewusst. Never fuck in the company, hörte ich mich immer wieder sagen, doch andererseits war Leon Wenzel offiziell nicht mehr mein Chef. Und selbst wenn: Waren Regeln nicht alle dazu da, gebrochen zu werden?
»Also, wie wäre es mit einem letzten Drink?«, fragte Leon Wenzel, während er sein Hemd aufknöpfte, da wurde das Klingeln meines Handys laut. Ich linste zu meiner Umhängetasche. Das beharrliche Klingeln ließ mir einfach keine Ruhe. »Dauert nur eine Sekunde«, flüsterte ich mit erhobenem Zeigefinger und holte mein Handy aus der Tasche. Auf dem Display leuchtete Becks’ Nummer auf. Sie rief aus Madrid an. Doch ehe ich einen Gedanken daran verschwenden konnte, ob es womöglich wichtig war, nahm Leon Wenzel mir das Handy aus der Hand.
»Wo waren wir noch gleich stehen geblieben …?« Das Handy klingelte unentwegt weiter. »Tut mir leid, aber es lässt mir ja doch keine Ruhe.« Ich schnappte mir das Telefon, und ich nahm den Anruf an. »Becks, es ist gerade ganz ungünstig. Ich bin noch in Venedig und äh …«, meine Augen wanderten zu Leon Wenzel, der mich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen ansah, »… mitten in einem Meeting.«
»Klingt wichtig«, hörte ich Becks kühl sagen.
»Du sagst es, ist es auch. Ich ruf dich dann die Tage an, ja?«
Doch Becks ließ sich nicht abwimmeln; es gab schockierende Neuigkeiten.
»Valerie hatte einen Unfall?« Mit dem Handy am Ohr richtete ich mich auf.
»Sie liegt in der Charité«, drang es aus der Leitung. Meine Gedanken überschlugen sich, und ich spürte, wie mir abwechselnd heiß und kalt wurde. »Wie schlimm ist es? Und wieso hat sie mir nichts davon erzählt, dass sie nach Berlin kommt?«, hörte ich mich fragen. Doch die Verbindung war bereits abgebrochen. Meine Versuche, Becks zu erreichen, schlugen fehl, und ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, sprang ich auf, um meine Sachen zu packen.
»Was haben Sie vor?«, wollte Leon Wenzel wissen, der das Gespräch mitverfolgt hatte.
»Ich muss nach Berlin.«
Er furchte die Stirn. »Etwa jetzt gleich?«
»Mit etwas Glück bekomme ich noch den Nachtbus«, überlegte ich laut und warf eilends die herumliegenden Sachen in meinen Koffer. Leon Wenzel sank ins Kissen zurück und
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