Sex and the Office
dass Valerie mir etwas verschwieg, doch jeder weitere Versuch, sie auszuquetschen, würde lediglich bezwecken, dass sie sich noch weiter zurückzog. »Tut mir übrigens leid, dass ich dich neulich so angemault habe. Bei mir ging es drunter und drüber, und ich war echt mies drauf.«
Valerie blickte mich an. »Ehrlich gesagt war es ganz schön öde ohne dich. Deine chaotischen Geschichten haben mir gefehlt.«
Ich lächelte ihr zu und legte meine Hand auf ihren Unterarm. »Das heißt, wir sind wieder Freundinnen?«
»Nur unter einer Bedingung: Du erzählst mir von Venedig.« Sie versuchte, das Gesicht zu einem Grinsen zu verziehen. »Ich will alle schmutzigen Details hören.«
»Na schön, aber zuerst verrätst du mir, wieso du mir kein Sterbenswort davon gesagt hast, dass du nach Berlin kommst.«
»Du warst in Venedig, und ich wurde kurzfristig zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen«, druckste sie herum. »Du weißt schon, als Einkäuferin für dieses Modelabel, von dem ich dir neulich erzählt habe.«
»Die sitzen in Berlin?«, fragte ich gleichermaßen erfreut wie irritiert. »Seit wann zieht Valerie Baumann denn ernsthaft in Erwägung, ihr geliebtes Nest in der Provinz zu verlassen?«
»Ich brauche eben etwas Abstand«, murmelte sie und senkte den Blick auf den Ring an ihrem Finger.
»Wow, der funkelt in natura ja noch viel mehr als auf dem Foto, das du gepostet hast«, fand ich und sah mir den Klunker genauer an. »Sieht so aus, als hätte Lars nicht nur ein Händchen für Immobilien. Meinen Glückwunsch, Valerie – du hast dir das verdient, und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du glücklich wirst. Steht denn der Termin für die Trauung inzwischen fest?«
Valerie hielt den Blick weiter auf ihren Ringfinger gesenkt.
»Stimmt was nicht?«, hakte ich nach.
Sie brachte ein Kopfnicken zustande.
»Jetzt sag schon, was ist los? Als du mir neulich davon erzählt hast, dass Lars dir endlich einen Antrag gemacht hat, kamst du mir vor wie der glücklichste Mensch der Welt, und jetzt machst du ein Gesicht, als stünde dir deine eigene Beerdigung bevor.«
Valerie zögerte, bevor sie sagte: »Ich betrachte den Ring als eine Art Abschiedsgeschenk.«
»Was? Aber …« Ich verstummte, als sich die Tür zum Krankenzimmer öffnete und ein junger, gut gelaunter Pfleger mit einem Tablett hereinkam. »Ihr Mittagessen, gnädige Frau – einmal Rührei und Kartoffelbrei.« Er stellte das Tablett ab und fügte im Scherz hinzu: »Hätte ich gewusst, dass Sie Besuch haben, hätte ich ein zweites Gedeck gebracht.« Valerie und ich wechselten Blicke. Als der Spaßvogel weg war, fragte ich: »Willst du über die Sache mit Lars reden?«
Anstelle einer Antwort, betrachtete sie nur angewidert die schleimige Masse auf dem Plastikteller. »Fragt sich nur, was das Ei und was der Kartoffelbrei sein soll.«
Ich deutete den abrupten Themenwechsel als ein Nein. »Wo steckt Becks eigentlich?«, wunderte ich mich. »Ich dachte, sie wäre längst hier.«
»Du weißt doch, wie sie ist. Wahrscheinlich hat sie den Flieger verpasst«, meinte Valerie und nahm es gelassen.
»Oder sie sitzt mal wieder im Knast«, sagte ich und lachte.
Valerie schenkte mir ein Lächeln, das sich rasch wieder verflüchtigte. »Charly, es gibt da etwas, über das ich mit dir reden muss.«
»So? Was denn?«
Sie wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, da öffnete sich erneut die Tür. Ihre Eltern traten herein.
»Lass uns ein ander Mal darüber reden, ja?«, sagte sie schnell. »Außerdem schuldest du mir noch eine Berichterstattung über Venedig.«
»Klar«, versprach ich und ließ Valerie mit ihren Eltern allein.
Die kommenden Tage sollten die längsten meines Lebens werden; sie zogen in einem seltsamen Schwebezustand zwischen Bangen und Hoffen an mir vorüber. Hoffend, dass Leon Wenzel sich trotz meiner überstürzten Abreise aus Venedig an unsere Abmachung gehalten und noch einmal mit der Geschäftsführerin über die Vergabe des Volontariats gesprochen hatte. Bangend, dass seine Worte etwas bewirkt hatten. Doch als hätte ich nicht schon genug gelitten, erklärte Leon Wenzel auf meine telefonische Nachfrage, dass die überarbeitete Ariane Rothenburg ausgerechnet nach seiner Rückkehr aus Venedig Urlaub eingereicht habe und sich derzeit am Tja Mahal befinde. Das war natürlich Pech. Und obwohl mir meine Wahrsagerin erst kürzlich prophezeit hat, bald schon würde mein Leben mit Liebe und Erfolg gesegnet sein, wenn ich mich in Geduld übte, wurde
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