Sex oder Lüge
dagegen zerrte sie in ein Schreibwarengeschäft, wo er einen seltenen Füllfederhalter fand, der mit Zeichnungen von Moby Dick verziert war. Den kaufte er für sich, und Miranda schenkte er den dazu passenden Kugelschreiber.
Ein so teures Geschenk wollte sie zunächst nicht annehmen und erklärte, sie werde immer, wenn sie den Stift in die Hand nahm, an Caleb denken und traurig werden. Letztlich akzeptierte sie das Geschenk doch, weil es sie an ihre gemeinsame Woche erinnern würde.
Obwohl vieles zwischen ihnen ungeklärt war und dies sicher so bleiben würde, war Miranda froh, sich die Zeit mit Caleb gegönnt zu haben. Diesen kleinen Ausbruch aus ihrem Alltag hatte sie gebraucht.
Sie war verliebt.
Über die Gefühle für ihn, die sich so rasend schnell vertieften, hatte Miranda lange nachgedacht. Konnte sie sich darauf verlassen? War diese Liebe echt? Ihr war selbst klar, dass ihre Empfindungen durch den Rausch des Moments getragen waren. Natürlich war das aufregend, und nachts konnte sie deswegen kaum noch schlafen.
Doch Miranda verlor deswegen nicht den Blick für die Realität.
Was damals über ihr Leben mit Marshall gedruckt worden war, gehörte in eine andere Welt. Die anschließende Ernüchterung mit all den Demütigungen hatte sie dazu gebracht, immer sehr sorgfältig darauf zu achten, nichts zu tun oder zu sagen, was ihr mittlerweile sicheres, wenn auch manchmal einsames Leben gefährden konnte.
Andererseits war ihr sehr wohl bewusst: Wenn das, was zwischen Caleb und ihr entstanden war, weiter wachsen sollte, musste sie ihm verraten, wer sie war.
Als sie sich in ein Restaurant setzten, beschloss sie, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war. Nach dieser Mahlzeit würden sie wieder zurückfahren, und Miranda wollte diese Unterhaltung weder im dunklen Auto noch später im Bett führen.
Die Ecke des gemütlichen Restaurants, in der sie saßen, bot genügend Abgeschiedenheit.
Sie griff nach der Margarita, die der Kellner ihr gerade serviert hatte, und sobald Caleb auch sein Bier hatte, atmete Miranda tief durch, sammelte ihren Mut und fing an.
„Habe ich dir erzählt, dass ich hier in Mistletoe geboren bin? An der Business School in Colorado habe ich einen Abschluss in Marketing gemacht. Übrigens haben meine Eltern beide an genau dieser Hochschule gearbeitet, bis sie sich in Arizona zur Ruhe gesetzt haben.“
„Aber du hast vor deinem Umzug nach Colorado in einem anderen Bundesstaat gelebt?“
„Das stimmt.“ Sie atmete tief durch. „Nach meinem Abschluss habe ich bei einer Werbeagentur an der Ostküste angefangen. In Baltimore.“
Abrupt blickte Caleb von der Speisekarte hoch. Er hatte gerade genüsslich von seinem Bier getrunken, aber mit den letzten beiden Worten hatte Miranda schlagartig seine volle Aufmerksamkeit. „Du hast in Baltimore gelebt, bevor du wieder hierhergezogen bist?“
Sie nickte. „Und du warst auch dort, als ich dort wegzog.“ Angespannt trank sie einen Schluck. Sicher würde sie während dieses Essens noch mehr zu trinken brauchen. Ihr Magen fühlte sich hart wie ein Stein an, und sie hatte Angst. Jetzt würde sie ihr Sicherheitsnetz für einen Mann wegwerfen, der nie versprochen hatte, sie aufzufangen.
Im selben Moment ließ Caleb sich nach hinten gegen die Stuhllehne sinken. Fast geschockt sah er Miranda an, weil bei ihm der Groschen fiel. „Gordon! Du warst mit E. Marshall Gordon verheiratet! Du warst Miranda Gordon!“
Genau, wie sie es vermutet hatte. Er kannte sie. „Willst du es vielleicht noch einmal aussprechen, nur um ganz sicher zu sein?“
„Oh, da bin ich mir vollkommen sicher.“ Caleb konnte es kaum fassen. „Schon am ersten Abend im Club Crimson war ich mir sicher, dich irgendwo schon mal gesehen zu haben, aber ich konnte dich nicht einordnen. Du … hast mich zu sehr abgelenkt.“
„Auf eine angenehme Weise, hoffe ich.“ In Gedanken versunken strich sie am Stiel ihres Glases entlang.
„Wenn man bedenkt, dass ich mich bis dahin noch nie habe ablenken lassen …“
„Das nehme ich mal als Ja.“ Sie merkte ihm die Verwirrung an. Flüchtig lächelte er ihr zu, doch dann war er in Gedanken bereits wieder weit von ihr entfernt. „Caleb?“
Er riss sich zusammen und griff nach seinem Bier. „Tut mir leid, ich war …“
„In Gedanken versunken? Hast du gerade überlegt, was für eine Story du daraus machen könntest, mich hier entdeckt zu haben? Zumal Marshall jetzt wieder vor Gericht muss.“
„Ich habe tatsächlich gehört, dass man
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