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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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Absolutheitsanspruch der »guten«
    Gewalt.257 Die sogenannten Guten können durch das Erpressen
    von Informationen und Geständnissen, durch Brechen des Wider-
    stands, durch bewußtes Zufügen schlimmster Schmerzen unmittelbar Vorteile für ihre Herrschaft ziehen.258 Folterideologie und -praxis erlauben keinen Zusammenhalt unter Menschen mehr. Sie le-
    ben davon, daß es verschiedene Gruppen von Menschen geben soll, von bösen und von guten Menschen, von gläubigen und von un-gläubigen, von keuschen und von unkeuschen, von geretteten und 233
    von aufgegebenen. Ohne solche Selektionen, wie sie für patriarchale Gesellschaften und Religionen typisch sind,259 wäre Folter nicht möglich.
    Wer die Folter nicht nur als Verbrechen verfolgen,260 sondern abschaffen will, muß sich um die zugrundeliegende Ideologie und deren Milieu kümmern. Doch nicht zufällig finden sich nur wenige literarische Hinweise auf die in der Folterpraxis zutage tretende Kriminalität der guten Christen und ihrer Systeme,261 auf das Religionsdelikt Folter, auf die Folter als repressives Verbrechen.262 Das Böse bleibt auffällig oft bis ausschließlich bei den Opfern angesiedelt. Der Gehorsam der wirklichen oder der potentiellen Folterknechte gegenüber dieser Selektion und den sie legitimierenden Personen auch. Foltern ist keine exklusive Tätigkeit, sondern Ausdruck konformen Verhaltens. Folterer, pflichtbewußte Täter,263
    wollen gehorsam sein, die ihnen gestellten Aufgaben zur Zufriedenheit einer Autorität erfüllen.264 Und da die überwiegende Mehrzahl der Menschen aufgrund ihrer religiösen Erziehung angepaßt, autoritätsgläubig, gehorsam bleibt, ist auch die autoritär beeinflußte Selektion noch tief in den Menschen verankert. Das Gefühl, ein Untertan zu sein, bleibt vorhanden - oder kehrt immer wieder
    zurück.
    Der amerikanische Sozialpsychologe Stanley Milgram konnte in
    einem berühmt gewordenen Experiment nachweisen, daß Men-
    schen, die normalerweise der Grausamkeit abschwören, anderen Menschen Schmerzen bis zum höchsten Grad zufügen, wenn dies
    nur von einer Autoritätsperson verlangt wird.265 Milgram ließ Männer in weißen Laborkitteln den erwachsenen Durchschnitts-amerikanern, die sich zur Verfügung gestellt hatten, die Anweisung erteilen, anderen Menschen Elektroschocks zu verabreichen. Die Schocks waren nicht echt und die Schmerzen der »Opfer« nur
    gespielt. Doch das wußten die Versuchspersonen nicht. Ihnen war gesagt worden, die Untersuchung solle die Wirkung von Strafen auf das Lernverhalten messen. Die Versuchspersonen zeigten sich je nach ihrer Nähe zum Opfer266 bis zu fünfundsechzig Prozent gehorsam; sie waren sogar in der Lage, dem Versuchsleiter bis zur Erteilung des Maximalschocks Gehorsam entgegenzubringen. Bei aku-
    stischer Rückkopplung (Schmerzensschreie) sank der Prozentsatz um zwei Prozent.
    Ist die Folter eine universale und ewige Institution?267 Muß sie 234
    sein, um einem Urbedürfnis nach Blut abzuhelfen und die menschliche Fähigkeit zu stärken, sich am Schmerz anderer zu erfreuen?
    Oder ist dieses Bedürfnis strikt patriarchal, also ausschließlich oder vorwiegend bei Männern anzutreffen? Die in dieser Hinsicht von Forsch-Herren268 bewußt nur spärlich durchforsteten Archive lassen darauf schließen, daß in den dreieinhalb Jahrhunderten der Hexenverfolgung gegen fünfundachtzig Prozent der Opfer Frauen waren; zwischen 1450 und 1790 wurde das Leben von etwa zwei
    bis vier Millionen Frauen im katholischen und protestantischen Europa ausgelöscht.269 Ist dieses Bedürfnis der Patriarchen durch seine spezifisch christlichen Zurichtungen — etwa in den Freudenfe-sten der spanischen Autodafes - nicht verstärkt und in seinen Folgen verschlimmert worden? Hielt das Christentum den Blutdurst nicht nur nicht in Schach, sondern wollte es ihn erst gar nicht stillen? Es gibt zu denken, daß der Kommentar zu der erwähnten Ausstellung europäischer Folterinstrumente die Kirche als »die Quelle und wichtigste Stütze der Folter im Abendland«270 bezeichnet. Die Jünger betrachteten die Folter als das sicherste Mittel auf dem Weg zur totalen Kontrolle über den totalen Glauben.
    Wurde die Folter abgeschafft? Oder nur für kurze Zeit aufgehalten? Wer sorgte für ihre Ächtung? Die Meinungen gehen auseinander: Christen teilen Seitenhiebe auf die Leistungen der Aufklärer aus,271 sprechen von einem Eigenanteil der Christenheit, indem sie verdienstvolle Einzelkämpfer aufzählen.272 Andere heben

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