Sex und Folter in der Kirche
Purpur, Weiß: Wie hätten Sie es gern gelesen? Wollten Sie Gesäusel hören?
Beim Waschen der Talare trocken bleiben? Wie soll reagieren, wer Ihre Maske abnehmen will und bestürzt merkt: Das ist Ihr Gesicht?
Doch eine auf unwahren Fundamenten fußende Religion kann
keine ethisch denkende, fühlende und handelnde Gemeinschaft
bilden. Wo Kleriker herrschen, haben Folter, Mord, Kreuz kein Ende.14 Voltaire: »...wenn es feststeht, daß die Geschichte der Kirche eine ununterbrochene Folge von Konflikten, Verleumdun-gen, Torturen, Betrügereien, Rauben und Morden ist, dann ist
damit erwiesen, daß jene Ausschreitungen in der Sache selber be-gründet sind, ebenso, wie erwiesen ist, daß der Wolf immer ein Raubtier war und daß es sich keineswegs um vorübergehende
Ausschreitungen handelte, wenn er unsere Schafe riß.«15
Ihre Greuel schweigend hinzunehmen, das Glaubensmodell »Tu-
gend durch Terror«16 mitzutragen und dafür Sonntagspredigten
von der Liebe zu allen Menschen zu hören, das muten Christen uns noch heute zu. Die Frechheit der Leute mit dem Alles-halb-so-schlimm-Gesicht bittet nicht. Sie verlangt - Triumph der Täter! -, wir sollten, wenn schon nicht alles verschweigen, so doch zurückhaltend beschreiben, was sich nicht mehr vertuschen läßt. Andern-falls drohen Christen — im Volksgerichtshofton! —, die Trauerarbeit an den Opfern pamphletistisch, primitiv, peinlich zu nennen. Diesen Gefallen mögen Gewissenlose sich selber tun. Hirnlose sind lästig, um des Himmelreiches willen Hodenlose selber schuld, doch Herzlosen vergeben wir nicht! Große, Geweihte zumal, dürfen wir nicht anders als scharf sehen. Wir müssen zu ihnen sein, wie sie selbst sind. Mitleid, das sie verweigern, sei ihnen versagt. Kalt, wie sie kämpfen, abschätzig, wie sie Schafe weiden, wollen sie beschrieben sein. Alles andere bricht den Leserinnen die Treue.
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Straf-Askese, Folter nach innen und außen
»O, über die Gemeinschaft der Christen! Sie hat ein ekelhaftes Fegefeuer erfunden, hat den Erlöser als ein mageres Gestell in Holz und Stein geschnitzt und sich berauscht an seiner blutenden Häß-
lichkeit. Sie hat keine Liebe geübt, sie hat das Grauen gelehrt. Sie hat nicht gebetet vor der Schönheit, sie haben sich vor dem Entsetzen heiser geschrien!« (H. H. Jahnn17).
Kennt das real existierende, das heißt das provinziell denkende und fühlende Christentum schon zwei Kategorien von Menschen,
die Gläubigen und die Nichtgläubigen, die anderen, so erst recht die beiden Klassen Keusche und Unkeusche.18 Schwarzweißmalerei?
Entsprechend simpel sind jedenfalls die Sanktionen. Noch ist nicht erforscht, welche sexuellen Sünden beispielsweise Beichtväter zu der Zeit verfolgten, da Auschwitz betrieben wurde...
Wie inhuman die Gewichte kirchlicher Moral verteilt sind? Mittelalterliche Praxis verhängte über eine Frau, die sich einmal selbst befriedigt hatte, eine Bußstrafe von drei Jahren.19 Diese barbarische Sanktion für eine Tat, die die Welt bestimmt nicht schlechter machte, wurde für andere Missetaten keineswegs angedroht: Wer andere Menschen blutig schlug, wer im Krieg getötet oder auf
Befehl seines Herrn gemordet hatte, kam mit vierzig Tagen Buße davon. Und so ging es weiter: War Theologen schon vor dem Ersten Weltkrieg, während dieses Gemetzels20 und kurz danach21 das
Thema »Aggressions- und Friedensforschung« weitaus weniger
wichtig gewesen als ihr Lieblingsthema »Sexualität«, blieben sie auch nach dem Zweiten Weltkrieg blind.22 »Wenn es einen Trieb gibt, der den Menschen unter die Würde seiner Vernunft und
Freiheit hinabdrücken kann«, schreibt ein katholisches Handbuch für Ehefragen, »so ist es sicher der Geschlechtstrieb.«23 Wer anderes erwartete, zum Beispiel einen Hinweis auf die grundsätzlich amoralische Aggression des Krieges,24 weiß nicht viel vom offiziellen Christentum. Bezeichnend, wie viele Talkshows sich gelang-weilt mit dem Endlosthema »Zölibat« herumschlagen, während
keine Diskussion sich der Themen annimmt, die mit den Stichwörtern »Kirche«, »Gewalt«, »Aggression«, »Religion« umschrieben sind.25 Offenbar wirkt das Geschlechtsleben eines Kaplans interessanter als massenhaftes Foltern und Morden.
Die Jünger-Legende26 läßt »Jesus« sagen: »Die Söhne dieser Welt 241
heiraten und werden verheiratet; die aber erwählt sind, an jener Welt und der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht und werden nicht verheiratet; sie können ja auch
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