Sex und Folter in der Kirche
Tod sind die Attribute des dreifaltigen Gottes auf den Straßen des Subkontinents.
In Peru gibt es ein einziges Kinderhospital. Es pflegt unter anderem die verbrannten Kinder des Landes, die Tag um Tag mit
schlimmsten Brandwunden eingeliefert werden: Gehen die Eltern frühmorgens zur Arbeit, bleiben die Kleinen unbeaufsichtigt bei der Kochstelle zurück. Bei der kleinsten Unachtsamkeit gehen die Hütten aus Strohmatten in Flammen auf. Die meisten Verbrennungen geschehen zwischen sechs Uhr morgens und zwölf Uhr mittags. Die jetzt fünfjährige Kelly lebt schon drei Jahre im Hospital; ihre Eltern hatten sie mit lebensgefährlichen Verbrennungen abgegeben und wurden seither nicht mehr gesehen. Als der Arzt ihre verkohlten Händchen berührte, fielen sie sogleich ab.
Das Schreien und Weinen der Unschuldigen, ein zentrales Thema jeder Beschäftigung mit Leid und Folter: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du Kelly verlassen?« Die Beschwichtigung der Theologen: »Ich bin gekommen, daß sie das Leben haben und es in Fülle haben.« Kamen Kirchen und Theologen nicht eher, daß sie selbst Frieden und gutes Leben, und beides in Fülle, haben? Heilsgeschichte unentwegt mit heiler Geschichte verwechseln, in gewalttä-
tiger Schamlosigkeit jedes Konfliktgespräch mit Gott abwiegeln?
Wer keine Hand gegen Gott erhebt, wird auch für ihn keine heben.
Wo finden sich Kirchenleute, denen im Angesicht des ungerechten und unschuldigen Leidens auf der Welt erst einmal die Luft weg-bleibt, bevor sie schon wieder zu predigen beginnen, Formeln her-beten, Worthülsen gebrauchen, Kreuz und Auferstehung als Pa-
tentlösung für jedwedes Leiden mißbrauchen,14 verkünden, die
Wege Gottes blieben eben oft im verborgenen?
Der Kläger Hiob tut im Alten Testament, wovor heutige Theolo-
gen und Exegeten stets zurückschrecken: Er beschuldigt Gott
selbst, Ursache des ungerechten und unschuldigen Leidens zu sein und darüber ebenso zu schweigen wie über die Folgen. Das Wort 111
über die Zustände Gottes und der Menschen bleibt unversöhnt;
gerade der liebe Gott macht diese Welt nicht mehr heil.15 »Nackt übernachten sie, der Kleidung bar; selbst in der Kälte fehlt ihnen die Decke. Vom Regenguß der Berge triefen sie und schmiegen ohne
Schutz sich an die Felsen. Man raubt das Feld der Waisen und
nimmt als Pfand vom Armen selbst den Mantel. Halbtote rufen aus der Stadt empor, die Seele der Mißhandelten schreit auf. Doch Gott bleibt stumm auf ihre Klage« (Hiob 24,7-12).
Alles Leid der Menschen, der Tiere und Pflanzen, das wirklich zu beseitigen ist (weil es von Menschen, Christen, Kirchen verantwortet wird), muß von den Menschen selbst angegangen werden. Un-
sereins sollte das Bessere nicht vom Tod und dem angeblichen
Leben nach diesem erwarten, sondern von sich selbst. Dies war der Antike noch bewußt: Ihre Menschen fürchteten den Tod weit weniger als die Menschen des christlichen Abendlandes - weil sie lebten, während den Christen das Leben mit seinen Sinnen aberzogen
wurde. Da der Wandel des Christenmenschen im Himmel sein
sollte (Phi 3,20), blieb für die Erde wenig übrig. Irdisches Leid ist für viele Christen weithin unerheblich; sie sehen nicht recht ein, weshalb sie sich im Jammertal engagieren sollen. »Daran erkennen wir geschwind, / wie jämmerlich sie selber sind.«16
Lebendige Menschen sollten nicht den Tod aus der Welt schaffen wollen, sondern die Übel, die aufzuheben sind, die Leiden, die in der Faulheit, Gleichgültigkeit, Unwissenheit der Menschen ihren Grund haben. Sie sind die schrecklichsten.17 Auch in Sachen Folter allein auf Gottes Hilfe zu warten macht Menschen individuell wie sozial ebenso gleichgültig wie die Doktrin, Gottes Wille sei hier am Werk. Allaussagen sind heute ideologieverdächtig; niemand kann sie ernsthaft prüfen.18 Es ist auch nicht gerade logisch, von einem irdischen Jammertal auf ein himmlisches Wohlergehen zu schlie-
ßen.19 Wird da nicht Gerechtigkeit manipuliert, in ein jenseitiges Nichts abgeschoben statt hier und heute eingefordert?
Das Gottesproblem bleibt. Was wir zur Genüge kennenlernen
durften, ist der uns von Christen vorgesetzte einschlägige »Gott«.
Dessen Verteidiger schwatzen sich immer tiefer ins Verderben hinein, je mehr sie predigen und irgendeine Auch-Philosophie treiben lassen. Denn die Wesensart dieses »Gottes« ist äußerst schwer zu verstehen. Sie ist ein Labyrinth von Widersprüchen. Damit steht sie der Deutung einer interessengelenkten Theologie
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