Sex und Folter in der Kirche
Widerstand, keine Rebellion gegen Autorität, es sei denn gegen »falsche« (jüdische, pharisäische). Dafür fließt er über von Gehorsam gegen die richtige, letzte Autorität, lebt aus dem Einverständnis mit dem fremden Vaterwillen. Angeblich bis zuletzt, bis zur Folter der Geißelung. Erst recht gehorsam geht er in den vom Vater gewollten Mord und damit in den schließlich akzeptierten Freitod hinein.
Ob der historische Jesus ein gewaltbereiter Aufrührer war,34
kann bis heute nicht entschieden werden. Auch die neueren Forschungen, die auf dem Hintergrund Qumrans das in den Kirchen
gezeichnete Bild eines friedlichen Seelenhirten und sanften Opfer-lammes kompromittieren, führen hier nicht weiter. Was festgehalten werden kann: Die Interessen eines Menschen namens Jesus
wurden ebenso wie seine eventuelle Unschuld von den Interessen gewalttätiger Jünger zerstört und als zerstörte, verfremdete nieder-geschrieben. Hier, wo es sich nicht um Jesus, sondern um »unseren Jesus« handelt, hat Gewalt ihren Platz.
Kein Mann des Friedens erwünscht?
Die Kunstfigur »Jesus«, die das Neue Testament schuf, führt kein gewaltfreies Leben. Sie ist von Gewalttat umgeben und predigt selbst Gewalt. Die »ewige Resignation, eine ewige Milde, die ewige Lammesdemut, das ewige ›Brüderlein‹ und ›Kinderlein‹ und ›Liebet Euch unter einander‹, und nichts wie Mitleid und Kopfhängen und Wunden und Schmerzen«35 sind Zutaten späteren Kitsches, wie er bis heute kirchliche Religionspädagogik verunziert. Rings um das Leben »Jesu« ist Gewalt aufgehäuft, subtil um den einzigen Sohn geschichtet. Denn nicht alles ist so notwendig wie die Unfallstories, die von Gewalt sprechen, für die niemand kann, zum Beispiel
der Einsturz eines Turmes, der achtzehn Menschenleben fordert (Lk 13,4). Mancher Schrecken ist komponiert; Grausamkeiten passen offenbar ins Jünger-Bild.
Ein paar wörtlich genommene Beispiele aus einem Evangelium,
das für seine Wundergeschichten und die bewußt literarische Anlage bekannt ist.36 Sein angeblicher Verfasser Lukas wird als der 153
vornehmste Autor des Neuen Testaments,37 als anziehende Persönlichkeit, als Mensch mit ausgeprägtem Feingefühl beschrieben.38 Er liebt es, Wörter nach ihrem Sozialprestige zu wählen, meidet Ausdrücke, die auch schon von weitem nach Unterschicht schmecken.
Bei ihm ist von Vornehmen, führenden Männern, von Würde die
Rede; im Gleichnis vom verlorenen Sohn kann der Vater es sich leisten, ein fettes Kalb zu schlachten. Was dieser Lukas zu berichten hat?
Schon vor der Geburt »Jesu« bestraft Gott Zacharias, den Vater des Täufers Johannes, wegen seines Unglaubens mit Stummheit (Lk 1,20). Die mit Sinn für wirkungsvolle Sentimentalität erfundene Krippengeschichte39 »Jesu« baut auf der Tatsache menschlicher Gewalt auf: Verstockte sagen, es gebe keinen Platz in der Herberge (Lk 2,7). Die Herrlichkeit des Herrn macht den Hirten auf dem Feld zunächst einmal angst; der Engel muß ihnen sagen, sie sollten sich nicht fürchten (Lk 2,10). Bei der Beschneidung im Tempel, da
»Jesus« als Zeichen zum Widerspruch und zum Fall vieler vorgestellt wird, erfährt Maria, daß ein Schwert ihre Seele durchdringen wird (Lk 2,35). Der zwölfjährige »Jesus« bereitet den Eltern
Schmerzen (Lk 2,48), weil er im Tempel zurückbleibt. Herodes legt Johannes den Täufer in Ketten (Lk 3,20) und läßt ihn köpfen (Lk 9,9); sein Vater hatte nach Meinung eines Evangeliums schon die angebliche Flucht nach Ägypten auf dem Gewissen und zudem
unschuldige Kinder grausam einfangen und umbringen lassen,40
weil er des Jesuskindes nicht habhaft werden konnte (Mt 2,16ff.).
Die Einwohner von Nazareth führen »Jesus« auf einen Berg, um
ihn in den Tod zu stürzen (Lk 4,29). Jünger legen »Jesus« nahe, ein unbußfertiges Dorf kurzerhand mit Feuer vom Himmel zu vernichten (Lk 9,54). Praktizierende Juden sind schlicht ein Greuel vor Gott (Lk 16,15). »Jesus« ist, aus Anlaß der Tempelreinigung41, unter den Händlern aktiv gewalttätig (Lk 19,45).
Und es gibt Beispiele für die spezifische Gewalt »Jesu«, die sich nicht nur darin bezeugt, daß er seine Gebote mit Höllendrohungen absichert:42 »Als er allein war, befragten ihn Jünger über die Gleichnisse. Da sprach er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis vom Reich Gottes gegeben. Jenen da draußen wird es in Gleichnissen zuteil, damit sie sehend sehen und doch nicht schauen, und hörend hören und doch nicht verstehen, damit sie nicht
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