Sex und Folter in der Kirche
nachzuvollziehen wäre im
christlichen Einflußbereich einer Lästerung gleichgekommen.
Doch finden sich Kreuzigungen wieder während der Napoleoni-
schen Kriege in Spanien; auch in den Religionskriegen Frankreichs geschah es nicht selten, daß Räuber ihre Opfer an Türen oder
Bäume nagelten.119
Die Kreuze der Antike bestanden zumeist aus zwei Balken, die in der Form eines griechischen T zusammengefügt wurden; der Verurteilte hatte den kürzeren Querbalken zum Platz der Hinrichtung zu tragen, während der andere Balken an Ort und Stelle blieb.120 Die christliche Ikonographie irrt, wenn sie »Jesus« ein ganzes Kreuz 169
schleppen läßt. Kreuze waren wahrscheinlich auch nicht so hoch, wie sie von den meisten Golgothaszenen der Kunst her bekannt
sind. Man kann sie sich etwa mannshoch vorstellen, so daß die Füße der Gekreuzigten nur wenige Zentimeter vom Erdboden entfernt waren.121 Das war praktisch: Die Folterinstrumente ver-
brauchten weniger Holz, waren leichter zu tragen und aufzustellen.
Auch die Entsorgung fiel leichter. Kreuzigungen wurden nämlich oft mit einer weiteren Schändung der Delinquenten verbunden:
Man verweigerte ihnen das Begräbnis, so daß ihre Leichen streu-nenden Hunden, Hyänen, Bären und den Raubvögeln zum Fraß
dienten.
In der Regel wurde der Verurteilte, nachdem er in der Geißelung geschunden worden war, mit Stricken ans Kreuz gehängt. Es sind Fälle bekannt, in denen Gekreuzigte bis zu fünf Tagen hängend dahinstarben.122 Bei der Methode der Annagelung trat der Tod
früher ein; ob Jesus angenagelt oder angebunden war, ist umstritten. Die Wunden an Händen und Füßen, die von den Nägeln
verursacht worden waren, schlossen sich vergleichsweise früh; dieser Blutverlust führte nicht zum Tod. Die Todesursache lag in der unnatürlichen Stellung des Körpers, die einen schrecklichen Schmerz an Kopf und Herz, eine Erstarrung der Glieder und
schließlich den Zusammenbruch des Kreislaufs und den Herzkol-
laps bewirkte.123 In einem 1968 in Jerusalem entdeckten Felsengrab stießen Archäologen auf die Gebeine eines um das Jahr 50 Gekreuzigten.124 Bei ihm hatten die Henker die Annagelung angewandt: Die rechte Ferse war über die linke gelegt und ein etwa fünfzehn Zentimeter langer Nagel mitten durch die Knochen getrieben worden. Die Handwurzelknochen zeigten keine Verletzung; die Eisen-nägel waren wahrscheinlich durch Elle und Speiche in den Querbalken (aus Olivenholz) geschlagen worden. Zur Stützung des Körpers diente ein Holzpflock, so daß der Gekreuzigte in Hockstellung starb.
Um gewisse Erleichterungen zu verschaffen, hatten Gesetze der Alten Welt vorgesehen, daß den Gequälten Wein gereicht werden konnte, der mit Weihrauch, Myrrhe oder anderen betäubenden
Drogen vermischt war und gegen die Schmerzen unempfindlich
machen sollte.125 Nicht selten wurde der Kreuzestod dadurch be-schleunigt, daß vor Anbruch der Nacht den Sterbenden mit Holz-scheiten oder Eisenstäben die Beine zerbrochen wurden. Das Ver-170
fahren sollte nicht die Qual der Verurteilten lindern, sondern jede Fluchtmöglichkeit ausschließen. Waren die Knochen zerschlagen, sackten die Körper vollends durch. Ein Bericht der französischen Zeitung Le Monde vom 9. April 1966 beschreibt den Vorgang des Sterbens am Beispiel von Gefangenen, die in Konzentrationslagern mit den Händen an einen Kreuzespfahl gehängt worden waren:
»Sie konnten bald nicht mehr atmen, außer wenn sie die Hände
aufzogen. Bald befielen sie heftige Muskelkrämpfe, während der mit Luft gefüllte Brustkorb diese nicht mehr auszustoßen vermochte. In Dachau wurden an die Füße der stärksten Opfer Ge-
wichte gehängt, um so den Tod herbeizuführen und zu verhindern, daß sich die Gefangenen an den Händen aufzogen.«126
Eine unsägliche Folter, das Kreuz eine zusätzliche Demütigung.
Noch heute ist dies nachzuvollziehen: Wird ein Mensch geköpft, erschossen, erhängt, auf den elektrischen Stuhl gesetzt, in die Gas-kammer geführt, mit der Giftspritze hingerichtet, ist alles in einem Augenblick vorbei. Hängt man ihn an den Kreuzesbalken, stirbt er so langsam und qualvoll wie bei kaum einer anderen Hinrichtungsart.
Gerade deswegen kommen Zuschauer auf ihre Kosten; die
Sieger unter ihnen können, wie im Neuen Testament wirkungsvoll erfunden, am Hinrichtungsplatz auf und ab gehen und ihre Sprüche machen.
Eine blutbefleckte Theorie
Zu den Vorgängen um einen historischen Jesus oder zu den Doktrinen über den geglaubten
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