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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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Menge von Heiligenfiguren mit den Symbolen der jeweiligen Folter, die Zuschreibung aller Altäre zu einem zumeist grausam getöteten Heiligen: Das alles ist, wie das Dauergebet des schmerzhaften Rosenkranzes oder die unzähligen Gesangbuchverse, voller Pein, christliche Gegenwart. Hier ist mit Händen zu greifen, was ver-180
    meintlich progressive Theologinnen wegzudeuten suchen, die vermutlich schon lange keine Kirche mehr von innen sahen.
    Ein Standardwerk des Kirchenrechts, nach dem Generationen
    von Klerikern unterrichtet wurden, nennt Reliquien »Überbleibsel von verehrungswürdigen Gegenständigen (zum Beispiel Kreuz des Herrn) oder von Heiligen und Seligen«163. Freilich steht da nicht zu lesen, daß allein vom Kreuz des Herrn so viel auf Erden übrigblieb, daß aus den Holzsplittern viele Einzelkreuze rekonstruiert werden könnten. Doch verständlich ist die Suche der späteren Jüngerinnen nach den hölzernen Herrenreliquien schon: Die Frömmigkeit blieb, da »Jesus« mit Leib und Seele auferstand und in den Himmel fuhr (Lk 24,6 und 51), ohne eigentliche Reliquien zurück. Doch sein Kreuz, dreihundert Jahre nach der Hinrichtung aufgefunden (noch heute Jahr für Jahr ein kirchliches Fest!), konnte dazu dienen, den Besitzwillen zu befriedigen. Goethe hierzu: »Das leidige Marter-holz, das Widerwärtigste unter der Sonne, sollte kein vernünftiger Mensch auszugraben und aufzupflanzen bemüht sein. Das war ein Werk für eine bigotte Kaiserin-Mutter; wir sollten uns schämen, ihre Schleppe zu tragen.«164
    Zwar war der frühesten Gemeinde eine Suche nach Kreuz, Leich-
    nam oder Grab »Jesu« noch unwichtig (Lk 24,5); sie wartete auf die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft »unseres Herrn«.
    Doch kaum hatten Staatsgewalt und Christentum Frieden geschlossen, holten Jünger das Versäumte nach. Bischof Eusebius, Hoftheologe Kaiser Konstantins und von Jacob Burckhardt der »erste durch und durch unredliche Geschichtsschreiber des Altertums«165 gehei-
    ßen, berichtet von der Suche nach dem Grab »Jesu«. Die Sucher kamen freilich nicht voran. Erst nach einer Vision ihres Anführers fanden sie das Grab, an der Stätte eines Aphroditeheiligtums: »Die heiligste Stätte Jerusalems mußte durch das Verabscheuungswür-digste verdeckt sein, was es in der Stadt gab; daher stammt der Gedanke, die Stelle des Kreuzes und des Heiligen Grabes unter dem Tempel der Venus zu suchen.«166
    Der Kaiser ließ das sexuell sündige Terrain sichern und darauf eine Basilika errichten; wieder hatte die Übernatur über die Natur und erst recht über die Widernatur gesiegt. Die heilige Helena, Mutter eines auffallend mordlustigen Kaisers167, hatte die Stätte besichtigt und mitgeteilt, sie habe bei dieser Gelegenheit das wahre Kreuz des Herrn gefunden. Seither glaubten die Jüngerinnen, an der 181
    obskuren Stelle hätten Hinrichtung und Grablegung stattgefunden, Golgotha sei also dort zu lokalisieren, wo heute die Grabeskirche steht, Ort vieler Konflikte innerhalb der christlichen Denominationen.168 Hand drauf! sagte eben erst der Vatikan.
    Zur Erinnerung: Nicht weniger als acht sehr euphemistisch als Kreuzzüge definierte Kriege wurden organisiert, und Kreuzfahrer brachen aus Europa auf, die heiligen Stätten von Ungläubigen zu säubern und sie dem eigenen Glauben zu sichern. Und so floß unter dem jüngertypischen Schlachtruf »Gott will es!« das Blut: »Unser Gott« zog zu Felde, wir Krieger erfüllten seinen heiligen Willen.

Schon an Rhein und Donau erschlugen wir in Gottes Namen Tau-
    sende von Juden. Dann vergewaltigten und mordeten wir unter den christlichen Ungarn. Bei der Einnahme Jerusalems im Sommer
    1099 massakrierten wir zigtausend Sarazenen. Wir töteten, wie ein Erzbischof schreibt, jeden Einwohner.169 Jerusalem war unser, das Blut »unseres Heilands« gerächt. Wir troffen von Blut und hängten an den Eingang der gesäuberten Wohnungen unser Wappen. Im
    Tempel Jerusalems wüteten wir so sehr, daß wir »durch Gottes
    gerechtes Urteil bis zu den Knien und sogar bis zu den Sätteln der Pferde in Blut wateten«170. Dann gingen wir hin, »glücklich und weinend vor Freude, um das Grab Unseres Erlösers zu verehren«.
    Blut will zu Blut. Blut ist eine kostbare Zugabe zurBegierde, der Wein der Liebe für alle, die nicht genießen können, ohne Leiden zuzufügen oder selbst zu leiden.171 Auch das Blut »Jesu« wurde und wird an vielen Orten des Abendlandes, die zum Teil ihren Namen von ihm bezogen, in kostbaren Ampullen

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