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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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verehrt. Biblische Grundlage dieser Verehrung - und näherhin die Möglichkeit, überhaupt Herrenblut zu erhalten! — ist die Gethsemanelegende im Evangelium des Lukas (Lk 22,43f.): »Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und es kam, daß er mit dem Tode rang. Er betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.« Die Jünger-Frömmigkeit nahm die Chance wahr, erfand mit der Zeit fromme Frauen, die jene Blutstropfen
    aufgesammelt und geborgen hatten. Ähnliches soll mit dem am
    Kreuz vergossenen Blut (Jo 19,34) geschehen sein. Und auf gotischen Darstellungen der Kreuzigung ist gelegentlich ein Lieblings-jünger Johannes zu sehen, der als Priester gekleidet ist und das Herzblut »Jesu« in einem goldenen Kelch auffängt; das weckte
    Erinnerungen und Assoziationen bei den Gläubigen.172
    182
    Die Christenheit war im wahrsten Wortsinn blutgierig: Immer
    wieder ist die Rede von Blutwundern, die sich bei der Verehrung von Ampullen und bei Messen (als Beweis für die Abendmahlslehre nach Mt 26,26 ff.) ereignet haben sollen. Zahlreiche Wallfahrtsorte (zum Beispiel Walldürn, Andechs, Bolsena) knüpfen an solche
    Wunder an; niemand kannte eine naturwissenschaftliche Erklä-
    rung.173 In dieselbe wunderbare Richtung weisen Bluthostien. Ihr Kult läßt eine ausgesprochen aggressive Tendenz erkennen; das ist die zweite Seite christlicher Blutfreude. Entweder waren zweifelnde Priester betroffen, oder Ungläubige (vor allem Juden174) sollten geweihte Hostien geraubt, mit Messern durchbohrt, geschändet
    haben. Das kam sie teuer zu stehen. Wieder schien das Christentum sich nicht anders behaupten zu können als durch den Kampfeinsatz seiner Heilsmittel gegen andere. Blut verlangt nach gleichem. Wer sich dem Diktat der angeblichen Deuteworte »Jesu« über sein
    Fleisch und Blut nicht beugte, mußte damit rechnen, daß er von den Jüngern blutig verfolgt wurde.
    Kein Theologe konnte den Originalton »Jesu« entschärfen:
    »Amen, Amen, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht beißt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch kaut (wörtlich!175) und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auf erwecken am jüngsten Tag«
    (Jo 6,53 f.). Es war schon ein seltsamer Mann, der sich von anderen Menschen aufessen lassen wollte. Wollte Jesus aus Galiläa aber das wirklich? Nietzsches Wort von der kleinen Sekten-Wirtschaft der Jünger, von deren Rokoko der Seele, von dem Verschnörkelten,
    Winkligen, Wunderlichen, von der Konventikel-Luft bleibt gültig.
    Wer Jesus gut will, wird den Jünger-Trieb durchschauen: die »Geschwätzigkeit der Gefühle, die fast betäubt; Leidenschaftlichkeit, keine Leidenschaft; peinliches Gebärdenspiel; hier hat offensichtlich jede gute Erziehung gefehlt. Wie darf man von seinen kleinen
    Untugenden soviel Wesens machen, wie es die frommen Männlein
    tun! Kein Hahn kräht danach; geschweige denn Gott. Zuletzt
    wollen sie gar noch ›die Krone des ewigen Lebens‹ haben, alle diese kleinen Leute aus der Provinz... Man kann die Unbescheidenheit nicht weiter treiben.«176
    Die Lehre vom Genuß des aus Hostie und Wein verwandelten
    Leibes und Blutes »Jesu« ist zentral für das Jüngertum. Sie ist im Neuen Testament angelegt, das heißt von Jüngern »unserem
    183
    Herrn« in den Mund gelegt, innerhalb der frühen Christenver-
    eine177 erfunden. Authentisch ist sie nicht. Doch Tag für Tag werden die angeblichen Einsetzungsworte (l Ko 11,23 ff.) über Brot-fleisch und Weinblut in aller Welt nachgesprochen; sie stellen den Höhepunkt der katholischen Meßfeiern dar. Ihre Herkunft aus
    dem kannibalistischen Milieu der Totemmahlzeiten178 ist in der patriarchalen Sohnesreligion längst überhöht und damit vergessen.
    Der Grundvorgang der Gottesverzehrung bleibt. Es fällt schon
    nicht mehr auf, daß auch der Einsetzungsbericht nach dem üblichen Jünger-Schema gestaltet ist. Er enthält trotz seiner friedlich erschei-nenden Vokabeln mitten im Milieu des »Liebesmahles« die ge-
    wohnten Ausgrenzungen. Jünger können es nicht lassen: Auf der einen Seite steht die Verheißung für die Gruppe der Rettungswilli-gen, auf der anderen wird die Abgrenzung nach außen angekün-
    digt. Denn zum einen wird »Jesus« das Wort zugeschrieben, sein Blutopfer geschehe »für die vielen« (nicht für alle Menschen!), zum anderen grenzt der Verfasser des ersten Briefes an die Korinther alle aus, die Leib und

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