Sexualität - ein natuerliches Beduerfnis
für die Gegenwart
und die Zukunft übernehmen will?
Ich
habe relativ schnell gemerkt, dass ich niemand anderen dafür verantwortlich
machen kann. Wenn einer die Situation ändern kann, bin ich das selbst.
Selbstbefriedigung löst das Problem
nicht, aber was hilft, ist, wenn man sich selber die Berührung gibt, die man
braucht. Es ist keine aktivierende Berührung, sondern diese emotionalen
Berührungslöcher lassen sich nur durch Berührungen füllen, die man fühlt, die
mich selber in Kontakt mit meinem eigenen Körper bringen.
Zuhörerfrage:
Wenn du sagst, du hast in den Begegnungen dieses Loch als schmerzlich empfunden:
War dir klar, dass es um Berührung geht?
Ich
war zwanzig, dreißig Jahre alt, ich konnte mich weder innerlich noch äußerlich
artikulieren. Ich besaß keine Sprache für meine Empfindungen und daher auch nur
eine nebulöse Wahrnehmung. Die einzig deutliche Empfindung war Scham und
irgendwann auch Ausweglosigkeit. Erst mit Anfang 40 bin ich in eine bewusste
Beschäftigung damit gegangen, habe ich ganz viel Bewusstheit auf diesen Bereich
gelegt, also nur Wahrnehmung, keine Manipulation, nur Wahrnehmen . Und
das Interessante war, dass wann immer ich mich bewusst auf das Fühlen der
Ohnmacht, der Bedürftigkeit einließ, es sich plötzlich umdrehte. Es fing damit
an, dass ich nicht mehr im Schmerz oder als Vorwurf sagte, nein: dachte: `Warum
merkt denn keiner, dass ich da eine Berührung brauche?` Ich blieb bei der
Wahrnehmung und verzichtete auf die Verdrängung oder Ablenkung.
Ich
begann wahrzunehmen, dass mein Körper an bestimmten Stellen auf bestimmte Weise
berührt, aber nicht stimuliert werden wollte. Und dann begann etwas Spannendes:
Wann immer ich mich selbst in dieser Weise wahrgenommen habe, kam jemand
spontan auf mich zu und berührte mich genau auf diese Weise. Es wurde spannend
zu erleben, was es bei anderen Menschen auslöste, öffnete, wenn ich für mich selbst
das Gefühl von Ohnmacht, Angst und Bedürftigkeit zuließ.
Der Ohnmacht standhalten
Nach
den letzten Vorträgen wurde ich gefragt: „Wie geht denn das, der Ohnmacht
standhalten?“ Man könnte sagen, dass es darum geht, ein schwieriges Gefühl
nicht zum Anlass zu nehmen, wegzulaufen. Denken, Grübeln, Urteilen sind Formen
inneren Fluchtverhaltens. Denken ist die Vermeidung von realistischer
Wahrnehmung. Der Ohnmacht standzuhalten bedeutet auch, in der wilden
Gedankenflut, die durch Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit entsteht, stillzuhalten,
auszuhalten. Was uns zivilisierte Menschen in diesem Moment besonders bedrängt,
sind die Gedanken: `Das halte ich nicht aus` und `Das wird nie aufhören`.
Keinem einzigen dieser Gedanken Glauben zu schenken, bis ich wirklich ganz und
gar bei der gedankenfreien, ruhigen und klaren Empfindung selbst angekommen
bin, kann sich zwischenzeitlich wie ein Höllenritt anfühlen. Wenn ich dann
schließlich im wirklichen Fühlen angekommen bin, dann – genau dann – beginnt es,
dass auch andere Menschen mich fühlen können und von sich aus in Kontakt mit
mir gehen können.
Ich
komme noch einmal auf den Zeitraum zwischen meinem 20. und 35. Lebensjahr
zurück. In dieser Zeit habe ich Sexualität nie anders erlebt als mit dem Gefühl:
`Irgendwie habe ich das, was ich eigentlich brauchte, nicht bekommen`, ohne je
herauszufinden, was es gewesen wäre. Genau das erzeugt aber auch einen inneren
Zwang, eine Sucht – und bringt Ersatzwünsche hervor, Konsumzwang. Unsere
Konsumwelten funktionieren nur so lange, wie es einen Bedarf nach Ersatz-Konsum
für zufriedenstellende emotionale Erfahrungen gibt. Sexuelle Süchte
entstehen aus dem Bedürfnis heraus, im Körper und emotional etwas zur Ruhe zu
bringen. Wenn man in der Sexualität den Fokus auf Erregung und nicht von Anfang
an auf Entspannung richtet, erfährt man zwar eine durch Überreizung erzeugte
Entspannung, die man auch ebenso gut als kurzzeitige Anästhesie bezeichnen
könnte, aber keine Heilung bzw. Erfüllung des eigentlichen natürlichen
menschlichen Bedürfnisses.
Zuhörer: Es ist
krass und fällt mir immer mehr auf, wie viele Vorstellungen man im Kopf hat,
wie Sexualität ist oder sein muss oder was Sexualität will und dass ich ganz
lange eigentlich gar nicht wahrnehmen konnte, worum es eigentlich geht.
Jemand,
der selbst nicht wahrnimmt, was er gerade braucht, kann auch nicht gut darin
sein, wahrzunehmen, was der jeweils andere braucht. Was kann daraus
hervorgehen, wenn zwei aus dem Kopf heraus etwas
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