Sexualitaet mit Leib und Seele
leben möchte. Genügt es einem, sich gegenseitig zu »gebrauchen«? Sicher ist: Je mehr ungelöste Probleme in Ihrer Partnerschaft untergründig wirken, desto weniger ist wirkliche Intimität möglich. Keiner wird sich öffnen, wenn emotionale Grundbedürfnisse wie Vertrauen nicht gegeben sind.
Wenn Sie Sex als Ausdruck von Liebe und Verbundenheit leben und erleben möchten, wenn Sie Erfüllung anstatt Pflichterfüllung suchen und sich Weiterentwicklung statt Weitermachen wünschen, dann sollten Sie sich behutsam mit einigen tieferen Regionen Ihrer Psyche beschäftigen.
Ich bin ich, und ich will dich
Wer seine Grenzen nicht kennt, kann sie nicht schützen und kein autonomes Körper-Ich aufbauen – ein häufiges Thema bei Frauen. Viele wurden als Mädchen dazu angehalten, sich selbst zu verleugnen.
»Gib dem guten Onkel die Hand«, sagten die Eltern, auch wenn man den schwitzenden, nach Rauch stinkenden Verwandten schrecklich fand. Ihm doch die Hand hinhalten zu müssen war bereits eine Verletzung der eigenen Grenzen und eine subtile Form von Missbrauch, selbst wenn der Mann tatsächlich ein herzensguter Onkel war, der niemals einen sündigen Gedanken hatte. Bei einem Jungen hätte man eher toleriert, wenn er seine Hand in der Hosentasche vergraben hätte, statt sie zum Gruß zu reichen. »Mädchen sollen lieb sein«, das ist die Botschaft, die bei solchen Gelegenheiten gelernt wurde. Auf einer tieferen Ebene bedeutet das: »Ignoriere deine eigenen Bedürfnisse.« In solchen Situationen distanziert sich ein Kind von seinen körperlichen Wahrnehmungen, spaltet sie ab, weil sie unangenehm sind.
Dramatische Formen nimmt dieser seelische Rückzug bei sexuellem Missbrauch an, und besonders schlimm ist, wenn dieser durch ein männliches Familienmitglied erfolgt und vielleicht auch noch von der Mutter ignoriert oder geleugnet wird. Für diese Mädchen und späteren Frauen ist der Aufbau eines autonomen Körper-Ichs Schwerstarbeit, aber unbedingt notwendig, um die eigenen sexuellen Wünsche und Bedürfnisse überhaupt spüren zu können. Sie müssen ihren Körper erst wieder in Besitz nehmen, bevor sie ihn in den Dienst einer Liebesbeziehung stellen können.
Aber auch Frauen, die sehr behütet aufgewachsen sind, kennen Situationen, in denen sie sich ihrer Grenzen unsicher sind. Wenn man sich emotional öffnet, kann das leicht dazu führen, dass man Dinge zulässt – und sogar meint, sie wirklich zu wollen, obwohl man sie später bereut: »Er hat mir so viel Persönliches von sich erzählt, wie einsam er als Kind war, und dann fing er plötzlich an mich zu streicheln. Ich ließ es geschehen, weil ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Ich wollte ihn doch nicht verletzen.«
Frauen werden schnell weich, wenn sie Mitleid haben, wenn sie meinen, ein Missverständnis selbst verschuldet zu haben, wenn sie mit Intimität geködert werden oder wenn sie selbst bedürftig sind – als Single oder vernachlässigte Frau. Dann kommt es nicht selten zu Sex, den sie hinterher bereuen.
Sie müssen Nein sagen, wenn Sie ein Nein spüren: »Es tut mir leid, ich habe es mir anders überlegt.« Sie müssen Einhalt gebieten, wenn Sie unsicher sind: »So nicht, wir müssen reden.« Das ist die unabdingbare Selbstbestimmung, die Ihnen erlaubt, ein Nein sagen zu können, wenn Sie auch ein Nein meinen – und dies gibt Ihrem Ja erst Kraft.
Wenn Frauen diese Autonomie fehlt, wenn sie kein starkes Ja haben, wissen sie selten, was sie sich von ihrem Partner wünschen. Und so orientieren sie sich an ihm: »Mir wurde klar, dass alles, was ich im Sex tat, jede Bewegung, jeder Laut, darauf zurückzuführen war, was er wohl erwarten würde … Bei dem Gedanken, was ich denn jetzt will, bin ich völlig zusammengeklappt. Da war nichts anderes als ein Vakuum, ein schwarzes Loch.« Eine solche fehlende Wahrnehmung der eigenen Wünsche ist keine Basis für ein erfüllendes erotisches Zusammensein.
Autonomie ist keine Form von Zickigkeit, sondern ein In-sich-Ruhen. Damit fällt es leicht, dem Partner die gleichen Rechte zuzugestehen, ehrlich zu sein und die eigenen Vorstellungen ins erotische Spiel zu bringen – das ist eine viel bessere Ausgangssituation für die Lust, als nur zu tun, was der Partner erwarten könnte: »Zum ersten Mal habe ich sie als Frau wirklich in ihrer Lust gespürt, plötzlich war sie da und wollte was von mir!«
Natürlich führt es auch zu Konflikten, wenn Frauen selbst bewusst dafür einstehen, was sie sexuell möchten.
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