Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
geführt, dass mein Blick und meine Aufmerksamkeit vom Gesicht einige Etagen tiefer gerutscht sind. Wie peinlich. Tun das alle Frauen? Ich erinnere mich gar nicht, dass ich das früher gemacht habe. Vielleicht liegt es an den immer noch zahlreichen fröhlichen und flirtigen Mails von jungen Männern, die in meine Mailbox flattern?
Nach dem jungen Andy bin ich eigentlich etwas desillusioniert. Und eigentlich habe ich mir nach meiner letzten längeren Beziehung - der mit dem jüngeren Mann - geschworen, allerhöchstens noch Fünfzig-plus-Männer in mein Leben und Bett zu lassen.
Andererseits finde ich mich zu streng und viel zu begrenzend. Ich antworte dauernd auf selbst so harmlose Mails wie die von bennobody , dreißig: »Ich würde dich gern kennenlernen, ich stehe auf ältere Frauen«, mit so was Bieder-mütterlichem wie: »Du könntest mein Sohn sein!«
Die Wahrheit ist natürlich, dass ich finde , dass er etwas sehr jung ist. Da nützt auch nicht die gern gestellte rhetorische
Frage: »Zu jung wofür?«, oder die auf Toleranz frisierte Feststellung: »Was heißt das schon!«
»Alter ist eine Jahreszahl, finde ich. Du bist doch ein wirklicher Blickfang und von einer individuellen Schönheit«, schmeichelt mir Bernd, ein Biobäcker von zweiunddreißig.
Ich antworte ihm: »Also, das finde ich gut, dass du Biobäcker bist! Handwerk hat goldenen Boden, und das ist nicht ironisch gemeint. Bin Schwarzbrotfan, so sagt man ja im Norden, ›Korn an Korn‹ ist meine Lieblingssorte.«
»Na, sooo jung bin ich ja auch nicht«, antwortet er.
Ich glaube, junge Männer werden nicht gern daran erinnert, dass sie jung sind. Sie trumpfen damit auf, dass sie erfahren sind, zumindest genug, um eine bedeutend ältere Frau anzumachen.
Es fliegen noch ein paar harmlos-anzügliche Mails hin und her, in denen von Kuchen und Keksen, Naschen, Knabbern und anderen Genüssen die Rede ist. Sein Foto zeigt einen sehr niedlichen Blondie mit Beatlesfrisur, der es aber scheinbar faustdick hinter den Ohren hat.
Mein Date mit Andy zählt nicht, der war ein Langweiler, dieser hier ist netter. Also, warum nicht?
Man kann das ja ganz locker halten, und so schlage ich einen sehr bekannten Wurststand in der City vor. Eigentlich esse ich nie Wurst, aber ich finde die Idee einer Thüringer im Stehen mal etwas anderes, denn es ist schnell, billig, öffentlich, sozial, man ist mit dem einfachen Mann und der Frau von der Straße auf Du und Du und teilt sich praktisch mit der Welt ein Würstchen. Und man kann ganz schnell wegrennen, wenn es sein muss. Außerdem kann man, wenn man sich mit Leuten in einem zwanglosen Umfeld trifft, wo viele Menschen sind, gleich sehen,
wie sie sich anderen gegenüber benehmen. Sind sie charmant und aufmerksam? Fällt es ihnen leicht, mit Fremden zu reden? Helfen sie der Mutter mit Kinderwagen, durch die enge Tür zu kommen? Heben sie Omas Stock wieder auf?
Ich finde zudem Essmanieren sehr interessant. Ich bin allergisch gegen Schmatzen und Menschen, die beim Essen viel reden oder gar spucken, dafür aber begeistert von Männern und Frauen, die irgendwie graziös ihr Hühnerbein oder Würstchen halten oder anmutig an einer Eistüte lecken können.
Bernd, schmal, groß und einfach »entzückend«, wie Toni sagen würde, zu der er eigentlich besser passt, beißt recht nett in seine Wurst, die er vorher in reichlich Senf gestippt hat, von dem dann auch ein wenig in seinem Mundwinkel landet. Irgendwie süß, man möchte es ablecken wie ein lasterhaftes Mädchen, oder abwischen, wie Mami.
Daran wird mir wieder klar, dass bestimmte Dinge doch etwas mit Jugend zu tun haben, denn diese Gedanken hätte ich bei Pensionär Hans nie gehabt (den habe ich in meinen Erzählungen ausgelassen), als er sich sein halb blutiges Filetsteak reingeschoben hat.
Ich schlage einen kleinen Spaziergang im Botanischen Garten vor. Mein Gott, es ist Frühling. Wir kaufen uns ein Eis in der Waffel, das heißt ich kaufe es ihm. Männer beim Eislecken zu beobachten ist sehr empfehlenswert, weil selten, denn sie kaufen sich meistens nur Becher mit Löffeln. Frauen sind wohl mehr die genüsslichen Leckerinnen, denn Lecken ist unmännlich? Oh, wie Freud sich freuen würde bei dieser Entdeckung von mir!
Wir schlendern eisleckend zwischen blühendem Rhododendron hindurch.
Das macht mich sehr nostalgisch, denn das sind meine Lieblingssträucher, und ich assoziiere riesige Mengen von Rhododendron immer mit den Parks, in denen mein erster Freund und ich
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