Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
langweilig ist, wie leider oft der Fall, dann gibt es immer noch Leute, mit denen man quatschen kann.
Peter und ich waren uns über das Thema Schokolade nähergekommen.
Erst hatte er mir gemailt: »Du siehst interessant aus.«
Ich daraufhin: »Ja, und?«
Und dann entwickelte sich eine recht witzige Unterhaltung, bei der irgendwie herauskam, dass sein Großvater der Direktor einer Schokoladenfabrik gewesen war, an der ich bis zur vierten Klasse auf meinem Schulweg vorbeigehen musste. Es roch immer herrlich, und wir Kinder blieben
stehen und schnupperten. Wohl in der Hoffnung, dass ein freundlicher Gönner mit einer Schubkarre aus der Fabrik rollen und uns vernaschten Gören stapelweise Schokoladentafeln zustecken würde. Das passierte aber nie.
Ich mochte Peter sofort noch lieber, denn alles, was uns aus der Kindheit vertraut ist, ruft scheinbar sehr positive Gefühle hervor. Er war sechsundfünfzig Jahre alt und hatte immer noch mit Schokolade zu tun, allerdings als Exporteur.
Wir telefonierten, und er war lustig und wollte mich gern mit Schokolade überziehen (und wahrscheinlich ablecken). Es hörte sich überhaupt nicht pervers, sondern verspielt an, und ich hatte auch etwas auf die Bemerkung hingearbeitet. Er sah auf dem Foto ein bisschen aus wie ein Bürokrat mit einer blühenden Fantasie. Vielleicht würde es ein vergnügter Abend werden.
Der Peter, der kommt, ist kleiner (schon wieder!) als angegeben, hat Haare mit echtem rötlichem Stich und trägt ein Tweedjackett, eine gelbe Wollweste und eine Fliege! Irgendwie passt er in einen Harry-Potter-Film. Er ist tatsächlich recht lebendig und wir unterhalten uns über die Fotos (Amerika in den frühen Sechzigerjahren).
Aus den Augenwinkeln bemerke ich einen Mann, der mich schon zweimal angeguckt hat. Graue Haare, interessantes, etwas verlebtes Gesicht, sehr nettes Lachen, prüfende Augen. Als Peter schon wieder einen Wein holt, gucke ich wie zufällig in seine Richtung, und er kommt wie zufällig näher - ein nettes Spiel.
Nach zwei Sätzen über das klassische Kennedy-Attentat-Foto und darüber, wo wir waren, als es passierte, fragt er: »Bist du allein hier?«
Ich nicke, sage aber: »Ich bin mit einem Bekannten gekommen.«
Nie im Leben würde ich zugeben, dass ich mit einem Blind-Online-Date da bin. Also immer noch die kleine Spießerin.
Ich hatte mir gerade eingeredet, dass Peter soo schlecht ja nicht sei, er könnte ja reich sein und mein persönlicher Förderer werden. Aber das mit der Anziehungskraft geht blitzschnell, und nun stehe ich da mit diesem Philipp, so heißt er, und bin kurz davor, mir neckisch durchs Haar zu fahren und das noch nicht aufgebrauchte Potenzial für ein erotisches Lächeln zusammenzukratzen.
So ein Benehmen passiert wie auf Knopfdruck, wenn man an einem Mann interessiert ist. Kennen wir nicht alle Situationen, in denen ansonsten vernünftige Frauen nicht wiederzuerkennen sind, nur weil ein Mann die Szene betritt? Ihre Stimme ist lauter und Oktaven höher, ihre Körperhaltung straffer. Und wir als Freundinnen wollen sie dann immer gern kicken oder auf den Mond schießen.
Philipp ist sehr, sehr nett, ein bisschen kompakt, das ist dezent ausgedrückt, mit keineswegs zartgliedrigen Händen, die zupacken können, einem entwaffnenden Lachen, etwas dröhnend vielleicht, aber irgendwie sitzt der Schalk in den mit vielen Fältchen gesäumten dunkelblauen Augen. Das einzige Problem ist die Cordjacke in olivgrün, die altmodischen hellbraunen Halbschuhe lassen wir mal durchgehen …
Wenn man jemanden spontan mag, dann ist es, als wenn eine Tür aufgeht, finde ich. Und man möchte gern durchgehen, bis zur nächsten Tür und wieder der nächsten und immer weiter, bis man ans Herz oder die Seele kommt oder wie man das nennen mag, das sich wie ein Zuhause anfühlt, in das man dann eintreten darf.
Ich würde wirklich gern das Gesetz der Attraktion erklären und auch ergründen, aber wie alles zwischen Männern und Frauen ist und bleibt rätselhaft, warum es der sein muss und nicht der andere. Das ändert sich auch im Alter nicht.
Natürlich haben Soziologen und Hirnforscher das Phänomen der Liebe und Sexualität längst geklärt. Wir haben weniger Einfluss darauf, als wir uns oft einbilden. Während wir sehr wohl die Kraft und die Intelligenz haben, aus verhängnisvollen Beziehungen auszubrechen, die uns einmal als der Himmel auf Erden erschienen, so können wir die geheimnisvolle Chemie, die dazu führt, dass wir
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