Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
stottern, rot werden, mit unseren Haaren spielen, dieses überdrehte Gelache haben (auch mit sechzig!), das nur Frauen haben, die an einem Mann interessiert sind, weder ergründen noch steuern. Wir können nur schnell wegrennen, wenn der Falsche kommt.
Nur, wer zum Teufel ist der Falsche? Klar, ein ungehobelter, intoleranter, saufender Rassist ist nicht schwer auszumachen, aber was ist mit den Grenzfällen? Der herzliche Mann mit Charme und guten Manieren, witzig, wohlhabend und charakterfest, warum darf er nicht der Richtige sein und wird weggeschickt? Und warum darf der rücksichtslose, unzuverlässige aber teuflisch sexy bad boy unter unsere Haut und ins Bett kriechen und dort Chaos anrichten?
Philipp wirkt zwar nicht wie ein bad boy , bei dem die Alarmlampen angehen sollten, aber er hat eine sexuell verschlingende Aura, die erotisierend ist. Er ist ein Jahr jünger, geschieden (wer nicht?), hat zwei fast erwachsene Kinder und arbeitet in der Kunstszene als Organisator.
Unsere Augen klicken ineinander ein wie Schlüssel und Schloss, und wir vertiefen uns in eine Unterhaltung, bei der wir scheinbar die anderen vergessen.
Auch Peter, der kommt und mich abholen will.
Mir ist alles egal.
»Ich habe einen alten Freund getroffen und möchte jetzt hier nicht weg«, lüge ich und zwinkere Philipp zu wie jemand in einem neckischen Werbespot.
Peter gefällt das nicht, aber er trollt sich.
Philipp legt den Arm um meine Taille, zieht mich zu sich und raunt: »Bei dir muss man ja aufpassen.«
Ich nicke. Mir gefällt das alles sehr. Wir flirten weiter, und ich denke: »Was mache ich jetzt bloß mit ihm?«
Wir haben zwei Gläser Wein getrunken, es ist noch nicht mal neun. Plötzlich beugt er sich vor und küsst mich auf den Mund. Vor allen Leuten. Nicht lange, so wie im Film, aber fest genug, um zu merken, dass er sehr gern küsst und wirklich weiß, wie man es macht.
Ich bin verblüfft und geschmeichelt und sage nur »Hey!« und schiebe ihn weg.
Wir müssen ins Kino, finde ich plötzlich, das ist der ideale Platz für eine altmodische Annäherung, obwohl ich ja gerade das im Moment abzuwenden scheine. Ich will wissen, was mit uns im Dunkeln passiert, wenn wir nebeneinandersitzen. Es ist einige Jahre her, dass ich mit einem aufregenden Typen im Kino war. Es gibt sicherlich einen alten Film irgendwo zur Spätvorstellung.
Ach, Kino, Jungs und erste Annäherungsversuche, was war das für ein komplexes Unterfangen, und die offizielle Vorstufe zum Knutschen im Auto. Jedes Mädchen wusste, wenn ein Junge mit ihr ins Kino gehen wollte, hieß das: letzte Reihe, Grabbeln, Kichern und, wenn er Glück hatte, Knutschen, während auf der Leinwand Krimi, Lustspiel oder Western abspulte. Was wirklich egal war, denn auch nur
seine Hand sachte auf dem Schenkel zu fühlen oder seinen Arm auf der Rückenlehne zu wissen war spannender. Gut für Schüchterne war daran, dass man tun konnte, als würde man es nicht merken - ganze zwei Stunden lang (mit Vorfilm, den es früher immer gab). Ganz, ganz forsche und erwachsene Mädchen wagten dann den vorsichtigen Griff ans Glied; man konnte das im flackernden Licht sehen, denn die ganze letzte Reihe war scheinbar exklusiv für Pärchen reserviert. Natürlich ist der romantische Bedarf an letzten Reihen im Kino stark zurückgegangen, schon allein deshalb, weil öffentliche Liebesbeweise weder geheim gehalten werden müssen noch Empörung provozieren. Heute kann man Sex in der U-Bahn haben und keiner guckt.
Philipp gefällt die Idee, und wir machen uns auf den Weg ins Kino. Es gibt leider nur Der Pate 2 , zu lang, zu laut, zu brutal.
Wir gehen trotzdem rein, setzen uns natürlich nicht in die letzte Reihe, aber kaum wird es dunkel, nimmt er meine Hand. Dann streichelt er sie, dann gleiten seine Fingerspitzen über die Handfläche, weiter über den Puls bis zur Armbeuge. Wie schön, dass meine Arme unbedeckt sind. Ein göttliches Gefühl, der Mann ist sinnlich. Endlich ein Volltreffer, Cordjacke hin oder her.
Unsere Finger verhaken sich und spielen miteinander, und ich finde es ziemlich aufregend, rutsche tiefer in den Sitz und habe schmutzige Gedanken. Schade, dass ich keinen Rock anhabe … Mein Hirn arbeitet fieberhaft, während Marlon Brando vorne nuschelt. Soll ich Philipp mit nach Hause nehmen? (Er wohnt viel zu weit weg.)
Er drückt meinen Arm, küsst mich aufs Ohr und flüstert, als könne er Gedanken lesen: »Wollen wir gehen?«
Ich nicke, die Corleones sind zu
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