Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
wie haben die Menschen agiert?
Die Wertung ist wieder eine andere Ebene. Man sollte aufpassen, dass man moralische Maßstäbe aus dem Jahr 2013 nicht unreflektiert anlegt an andere Zeiten, sondern immer schaut, was für Handlungsräume waren zu der Zeit da. Hätte man sich herausziehen können? Das ist ein bisschen schwierig.
Ohne irgendwelche Verbrechen zu relativieren – manchmal wird allen Bürgern der ehemaligen DDR gesagt, sie hätten vierzig Jahre lang in einem Unrechtsregime gelebt, in einem Unrechtsstaat. Man nimmt den Leuten damit Teile ihrer Biografie. Dann ist ja auch die Frage, ob es denn da auch Schönes gibt. Ein Spiegel dieser Sehnsucht danach ist vielleicht diese Ostalgie-Welle und auch Filme wie »Goodbye Lenin«. Da wird ein Bild der DDR gezeichnet, wie es viele anscheinend auch wahrgenommen haben. Es war einfach ein Land, in dem man gelebt hat, und es gab diese Handlungsspielräume, die vielleicht begrenzter waren als in anderen Ländern. Viele sagen ja auch, wir konnten nicht raus, es gab zu viele Repressionen, man musste aufpassen, was man sagte und was man geschrieben hat, und man hat auch nicht alles bekommen.
Man muss diesen Menschen zugestehen, dass es auch ein schönes Familienleben gab und freudige Momente und vielleicht Vereinstätigkeit, die erfüllend war. Oder Hobbys. Dass man das nicht alles über einen Kamm schert. Wo ist der Bereich des Unrechtstaates und wo ist einfach normales Leben, und wo ergeben sich Schnittmengen? Man muss immer alles im Einzelfall betrachten und wahrscheinlich auch jede einzelne Person betrachten und schauen, wie man das aus der Rückschau wertet.
Es geht darum, in klaren Begrifflichkeiten oder Kategorien den historischen Gegenstand einzufangen und beschreibbar zu machen und auf der anderen Seite mich selber in dem gesamten Prozess zu reflektieren: Was mache ich gerade? Warum mache ich das gerade? Warum werte ich das jetzt so und so aus? Das kann und sollte man ruhig transparent machen.
Genau das werde ich tun. Ich werde eine Geschichte erzählen, so wie sie mich interessiert, und das transparent machen.
Viele historische Darstellungen oder auch Filme oder auch die Geschichtsbücher suggerieren immer, dass sie zeigen können, wie es war. Aber es ist ja immer nur eine Perspektive darauf. Genauso wie derjenige, der dabei war, uns ja auch nur seine Perspektive erzählt, wie es gewesen ist. Niemand weiß, wie es wirklich war, noch nicht mal der, der dabei war. Er kennt nur seine Perspektive. Jemand, der drei Schritte weiter etwas Ähnliches gemacht hat, der hat schon wieder eine andere Sicht darauf.
Literaturverzeichnis
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Mark Benecke (2013) Dem Täter
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