Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
Habilitation« ein. Das Thema an diesem Samstag, dem 4. Juli 1953 um halb zwölf mittags, war ein damals von Prokop nebenher betriebener – und dann nicht intensiv weiterverfolgter – Forschungszweig, der Elbel besonders am Herzen lag: die Gewöhnung insbesondere von Autofahrern an Alkohol.
Zu dieser öffentlichen Veranstaltung im Hörsaal der Physiologie in der Nussallee 11 in Bonn wurden »Rektor und Senat, sämtliche Professoren, Dozenten, akademischen Bürger und alle Freunde und Gönner der Universität geziemend eingeladen«. Um Antwort wurde auf einer eigens gedruckten Postkarte gebeten. Nach dieser Vorlesung war Otto Prokop Privatdozent. Seine Fakultät lobte und liebte ihn weit über das übliche Maß. Er war nicht mehr aufzuhalten.
Ärger mit dem Amt
Eigentlich wollte Prokop nun an der Bonner Universität bleiben. Das lag auch daran, dass seine Frau im Bundestag arbeitete – Bonn war damals die Hauptstadt der BRD. Im Mai 1954 stellte Prokop also beim Bonner Ordnungsamt unter dem Geschäftszeichen 125/11 einen Einbürgerungsantrag. Er wohnte in der Argelanderstraße 14, einer Seitenstraße der Poppelsdorfer Allee zwischen dem Hauptbahnhof und dem Botanischen Garten. Die Vorliebe für große Rasenflächen und freie Plätze behielt Prokop wie schon angedeutet lebenslang bei. Auch in Berlin wohnte er an einem ähnlich schönen und hervorstechenden Fleck mitten in der Stadt .
Das nordrhein-westfälische Kultusministerium meldete Anfang Juni, dass »Prokop infolge der Wiedervereinigung [sic!] Österreichs mit dem Deutschen Reich im März 1938 die österreichische Staatsbürgerschaft verloren und die deutsche Staatsbürgerschaft erworben« habe. Das hörte sich gut an: Prokop war Deutscher geworden.
Doch ebenso ohne sein Zutun wurde Prokop zum Kriegsende wieder Österreicher. Das sah das »Österreichische Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz vom 10. Juli 1945« so vor. Auch die »vom Regierungspräsidenten in Köln am 31. 1. 1951 ausgestellte Urkunde über die deutsche Staatsbürgerschaft war bis zum 31. 12. 1952 befristet und daher ungültig«, wie der Amtsschimmel Prokop entgegenwieherte.
Prokop ärgerte sich gewaltig. Schon vor dem Krieg orientierte er sich nach Deutschland, und im Krieg hatte er beweisen müssen, als Österreicher kein Soldat zweiten Ranges zu sein. Und nun das. Doch vor allem zur Umwandlung seiner Angestellten-Stelle in eine Verbeamtung musste er erneut Deutscher werden. Trotz vereinter Bemühungen von Universität und Otto Prokop gelang das aber nicht. »Der Herr Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass mit der Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft verbunden ist«, meldete das Ministerium unmissverständlich.
Man riet Prokop, den Vorgang ans Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten. Stattdessen nahm sich sofort nach der Ablehnung im Juni 1954 das Rektorat der Universität Bonn der Sache an. Von dort aus teilte man der Stadt Bonn noch einmal deutlich und freundlich mit, dass Prokop schon »als Student durch gute Leistungen aufgefallen« sei und »durch fotografische Arbeiten bekannt geworden ist, welche er für Kliniken und Institute ausführte, um sein Studium und den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Herr Prokop ist ein über dem Durchschnitt begabter und fleißiger Wissenschaftler, der bereits jetzt auf seinem Fachgebiet über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist. Er darf zum engsten Kreis des besonders wertvollen wissenschaftlichen Nachwuchses gerechnet werden.«
Das alles machte aber noch immer keinen Eindruck auf das Bonner Ordnungsamt, zumal das Ministerium ja ohnehin abgeblockt hatte. Es blieb bei Prokops ungewolltem Status als Zwangs-Österreicher.
Doch Prokop kämpfte weiter. Er beklagte sich noch einmal ausführlich. »Seit Jahren«, so schrieb er dem Amt, »kämpfe ich voller Bitternis gegen den Bürokratismus. Ich habe seit 1945 meine Staatsbürgerschaft je nach Auslegung der Behörden mehrfach gewechselt. Seit 1941 war ich als Deutscher in der Wehrmacht, wobei ich als Deutscher mehrfach verwundet wurde. Schließlich war ich als Oberfähnrich auch als Deutscher in Gefangenschaft. Seit 1945 bin ich dauernd in Bonn, wo ich im Übrigen schon seit dem Jahre 1943 gemeldet bin . Jetzt wird mir sogar die Ausstellung eines Reisepasses verweigert. Seit 1948 vertrete ich die medizinische Fakultät mit etwa vierzig wissenschaftlichen Arbeiten auch als Deutscher
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