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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Beobachtungen. Eine besonders schöne Veröffentlichung, die Prokops wissenschaftlichen Spieltrieb, seine Neugier, seine Grenzüberschreitungen, seinen Ideenreichtum und sein Können verdeutlicht, ist die über die Unterscheidung von Kuh- und Frauenmilch aus dem Jahr 1962.

Kuh- oder Frauenmilch?
    Kriminalistisch genügt es nicht, eine Spur zu sehen, einzusammeln und auf einem Foto gut darzustellen. Die Spur muss auch im Labor zerlegt werden. Beispielsweise ist es für uns in alten Heizungskellern oft schwierig, Blut von rostigem Wasser zu unterscheiden. Ein Foto genügt nicht, man muss eine Probe mitnehmen und im Labor untersuchen. Oft liegen Spuren auch gemischt vor. Auf einer Jeanshose, die sich ja wochenlang tragen lässt und als Baumwollstoff eine große Oberfläche hat, finden sich oft alle möglichen biologischen Spuren: Fasern, winzige Essenreste, Urinbestandteile und vieles mehr. Aber was davon hängt mit der Tat zusammen? Auch Bettwäsche weist unter unseren speziellen Lichtquellen im Labor oft Schweiß-, Speichel- und Prostataflüssigkeit auf. Welche der Spuren hat mit dem untersuchten Fall zu tun und welche nicht? Jede Spurenuntersuchung kostet Zeit und Geld – beides ist in Kriminalfällen meist nicht vorhanden. Es ist also gut, wenn man rasch unterscheiden kann, was untersucht werden soll und was nebensächlich ist.

    So etwas entdeckt man nur beim Blättern in Prokops Arbeiten: Links eine experimentell kniffelige genetische Veröffentlichung zu Blutgruppen, rechts eine Untersuchung zur Unterscheidung von Kuh- und Menschenfrauen-Milch aus dem Jahr 1962 – beide von Prokop und Kollegen verfasst.
    Wolfgang Reimann und Otto Prokop erfanden in diesem Zusammenhang einen Schnelltest, der Frauenmilch von Kuhmilch unterscheidet. Es war schon länger bekannt, dass Auszüge aus bestimmten Pflanzen auf einem Glasplättchen verklumpen, wenn sie auf andere Stoffe stoßen. Da dieses Verklumpen nicht immer, sondern nur bei bestimmten Stoffen geschieht, kann man damit beispielsweise Menschenblut, das mit Pflanzensaft verklumpt, von Rost unterscheiden, der nicht verklumpt .
    »Erste Versuche«, so schreiben Reimann und Prokop, »ergaben von den gepressten Extrakten nur für Saphora- jap. -Hülsen [Japanischer Perlschnurbaum, Styphnolobium japonicum ] eindeutige Ergebnisse. Kartoffelpresssaft präzipitierte [verklebte] sowohl Frauen- als auch Kuhmilch. Bei Kuhmilch fiel die Reaktion deutlich stärker aus.«
    Weitere Test-Säfte stammten aus Tomaten, Futterwicken, Pferdebohnen, Helmbohnen, Erbsen, Gartenbohnen, dem Orchideenbaum und dem gewöhnlichen Spindelstrauch. Bis auf Tomaten, die die Forscher direkt auspressten, gewannen sie die Flüssigkeiten aus in Gärten gesammelten Pflanzensamen, die sie zerdrückten und als Saft verwendeten.

    Philip Levine (1900–1987, Bildmitte), ein berühmter Blutgruppenforscher, unter anderem mit Otto Prokop (ganz links), Wolfgang Dürwald (geb. 1924, Professor für Rechtsmedizin in Rostock und Leipzig), Gerd Fünfhausen, Leiter der Blutspendedienste in Berlin, Werner Göhler (1928–2009, Professor für Rechtsmedizin in Leipzig) und Wolfgang Reimann (1920–2005, Professor für Rechtsmedizin in Dresden).
    Der japanische Perlschnurbaum flockte mit menschlichem Blut aller Blutgruppen – auch der Blutgruppe 0 –, nicht aber mit tierischem Blut aus. »Wir hätten hier demnach eine Mensch-artspezifische Reaktion vor uns«, schrieben die Forscher, »die nicht nur zur Agglutination [Verklumpung] menschlicher Blutzellen aller AB 0 -Typen, sondern auch zur Präzipitation gelösten menschlichen Antigens in der Frauenmilch führt.«
    Jeder (auch nur menschliche) Spuren erkennende Test ist für uns wichtig – denn nicht alle Tatort-Spuren stammen von Menschen. Mit guten Vortests kann man die nicht von Menschen verursachten Spuren schnell aussortieren.
    Dass der Unterschied zwischen Frauen- und Kuhmilch im Labortest nur darum entstanden sein könnte, weil pasteurisierte Kuhmilch zum Einsatz gekommen war, bedachten die Forscher auch. Sie besorgten sich für einen weiteren Versuchsdurchgang frische, nicht pasteurisierte Kuhmilch. Ihr Versuch klappte immer noch. Frauenmilch ergab tatsächlich nur mit Perlschnurbaum-Saft eine sichtbare Reaktion – und nicht mit den anderen Pflanzensäften. Fortan konnte man in Kriminalfällen mit diesem Vortest unterscheiden, um welche Art von Fleck es sich handelte.
    Doch Prokop dachte weiter. Er schlug vor, Frauenmilch auch für die Forschung in anderen

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