Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
Uhlenbruck berichtete – beschäftigten ihn bis zuletzt. Eine seiner letzten größeren Veröffentlichungen »Über Blutmystizismus« befasste sich ausführlich mit dem Thema des Aberglaubens. »Während man anhand der menschlichen Blutgruppen etwa fünfhundert Trillionen verschiedener Blutmuster unterscheiden kann«, so Prokop im Jahr 1992, »lieben es die wenig Versierten, das Blut › archetypisch ‹ viel einfacher zu sehen.«
Prokop kämpfte von Anfang an mit harten Bandagen gegen den Para-Unsinn. Besonders ärgerte ihn, dass beispielsweise Pendelbewegungen und Wünschelrutengehen längst medizinisch und psychologisch verstanden waren – sie entstehen durch kleinste, unwillkürliche Muskelbewegungen. Dasselbe galt für die Homöopathie, die durch Zuwendung und nicht durch die ohnehin wegverdünnten »Wirkstoffe« funktioniert. Es handelt sich dabei um einen Placebo-Effekt.
Schon im Mai 1954 erregte sich Prokop über eine Erwiderung, die der Vorsitzende des Verbandes für Ruten- und Pendelkunde, Franz Wetzel aus München, zugunsten der von Prokop geschmähten Parawissenschaften geschrieben hatte: »Es verwundert nicht«, so Prokop, »dass ein Mann wie Dr. Wetzel wissenschaftliche Arbeiten nur mit persönlichen Anfeindungen und Diffamierung zu beantworten vermag. Da die Anfeindungen irrigerweise rein meiner Person zugedacht waren, halte ich es für erforderlich zu zeigen, wer sich zu einer solchen Sprache berechtigt fühlt.«
Noch 1993 erinnerte sich Prokop an diesen Fall und gab ihn als Auslöser für seine Beschäftigung mit den Parawissenschaften an:
»Das kommt durch meine Gerichtstätigkeit. Angefangen hat alles mit den Wünschelrutengängern und mit einem Prozess in Bonn gegen den Hersteller eines Abschirmgerätes gegen ›Erdstrahlen‹, in dem ich als Sachverständiger berufen worden war. Der Hersteller dieser ›Apparate‹ hatte im Ruhrgebiet ein eigenes Werk und war vorher schon dadurch berühmt geworden, dass er seinerzeit Hermann Göring behandelt hatte. Hermann Göring, der an Rheumatismus litt, las in der Zeitung, dass ein deutscher ›Wissenschaftler‹ ein Gerät entdeckt hätte, um die ›nassen, feuchten Erdstrahlen‹ zu beseitigen.
Göring ließ diesen Mann zu sich kommen, der dann sein Gerät in Görings Wohnsitz in Carinhall aufstellte. Das Gerät bestand aus einem Kunststoffkasten, in dem Drahtspiralen eingegossen waren – sonst nichts. Nach einem halben Jahr fragte der ›Erfinder‹ dann bei Hermann Göring an: ›Herr Reichsmarschall, darf ich mich nach Ihrem Befinden erkundigen?‹ Und der dumme Göring schrieb zurück: ›Ich danke Ihnen sehr; ich kann Ihnen mitteilen, dass es mir schon besser geht.‹ Der Mann nutzte dieses Schreiben von Hermann Göring werbewirksam aus, schickte es über die ›Deutsche Arbeitsfront‹ an alle möglichen Stellen, hielt in ganz Deutschland Vorträge und stellte das Gerät in riesigen Massen her.
Gegen Kriegsende hat die SS dieses Treiben unterbrochen und angeregt, von nun an in diesem Werk die Herstellung von Zündern für Artilleriemunition vorzunehmen, was der ›große Erfinder‹ in der Folge auch getan hat. Nach dem Krieg hat sich dieser Mann dann als Verfolgter des Nazi-Regimes ausgegeben. Diese Geschichten habe ich bei Gericht erlebt. Und seit dieser Zeit war meine Animosität gegen die Pseudoerfinder und Geschäftemacher besonders akzentuiert.«
Prokop krempelte mal wieder die Ärmel hoch. Angeblich konnte man mit einer Kirlian-Kamera die menschliche Aura messen. Der Trick dabei – hochfrequente Wechselströme lassen sich durchaus fotografieren – interessierte Prokop vor allem hinsichtlich der Möglichkeit zu zeigen, dass allerdings auch Leichen noch angebliche »Lebensenergie« aufweisen. Hier ein Foto, sechs Tage nach dem Tod an der Zehe einer Leiche aufgenommen: »Um auch den letzten Zweifel auszulöschen, bewahrten wir die Zehe vier weitere Tage unter Luftabschluss bei -14°C auf und prüften sie nach dem Auftauen unter gleichen Versuchsbedingungen. Das Ergebnis bestätigte unsere Erwartungen: Zahlreiche büschelförmige Entladungsfiguren, deren Dichte man durch Ändern der Belichtungszeit beliebig variieren kann.«
Den Fehdehandschuh nahm Prokop aber nicht nur auf, weil er persönlich verärgert war, sondern auch, weil er die gesamte experimentelle Medizin angegriffen sah. Auch das war sehr fortschrittlich und setzte sich endgültig erst vierzig Jahre später als »Evidence Based Medicine« – der Durchführung von
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