Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
Fingerabdrücke entwickelte (mehr dazu in Benecke: »Dem Täter auf der Spur: So arbeitet die moderne Kriminalbiologie«).
Vaterschaftsfeststellungen spielen in der Rechtsmedizin unter anderem deshalb eine Rolle, weil familiärer Streit – auch Streit über Vaterschaften – einer der Hauptgründe für Tötungen von Kindern oder Eltern ist. Hinterher fragen dann beispielsweise Lebensversicherungen, wer wessen Sprössling war. Dergleichen wird aber nicht nur bei Morden, sondern auch bei tödlichen Autounfällen gefragt. Dabei geht es manchmal um die Erbfolge und den Verwandtschaftsgrad der Verstorbenen, aber auch um die Todeszeitpunkte der Verletzten. Hier mischt sich das Molekulare mit der klassischen Rechtsmedizin und kann für die Überlebenden zu großen Unterschieden in der ererbten Summe führen.
Übrigens wurden besonders in den deutschen Instituten für Rechtsmedizin die technischen Grundlagen für die heute völlig sichere Routine-Vaterschaftsfeststellung durch genetische Fingerabdrücke geschaffen. Auch Prokops Institut in Ostberlin forschte in diesem Bereich intensiv, hinkte dem Westen nach Prokops Aussage aber zum Teil hinterher .
Ein Beispiel für das verlangsamte Arbeiten ist die Mitte der 80er Jahre erfolgte Anfrage der Stasi-Hauptabteilung IX, die für kriminalistische Ermittlungen zuständig war . Dort hatte man im ZDF - Gesundheitsmagazin Praxis den Beitrag »Revolutionäre Spurensuche in der Gerichtsmedizin« gesehen. Der Beitrag behandelte unter anderem die 1985 von Alec Jeffreys entdeckten genetischen Fingerabdrücke.
Am 3. September 1987 meldete die Abteilung IX/7, dass sich »seit circa zwei Jahren in Zusammenwirken mit der Akademie der Wissenschaften der DDR « das Kriminalistische Institut der Volkspolizei mit der »Nutzung der Genethik [sic!] für Identifizierungszwecke« beschäftige. Das ist eigentümlich, weil das Verfahren direkt in das Beschäftigungsfeld des Institutes für Rechtsmedizin der Charité passte und auch gehörte, dort aber offenbar noch nicht zum Einsatz kam, sondern nur im Institut der Volkspolizei.
Die Anfrage drang bis zur Technischen Untersuchungsstelle des Ministerrates durch, wo man am 9. Oktober 1987 Professor Prokop gleichsam aus den Akten sprechen hört: »Es muss in den kommenden Jahren unbedingt der Einsatz kommerzieller monoklonaler Antikörper und enzymmarkierter Immuntechniken in die Expertisepraxis Eingang finden«, so die Akte, »um den erreichten guten Stand im Repertoire anerkannter Untersuchungsmethoden an der Schwelle der 1990er Jahre nicht preiszugeben. Dabei ist ein erhöhter Einsatz von Valutamitteln [Westgeld] in den nächsten Jahren unbedingt nötig . «
Zu den frisch erfundenen genetischen Fingerabdrücken heißt es weiter, dass »vor allem« Prokop ein potenzieller Interessent dafür sei. Warum es nur ein »potenzielles« Interesse war, steht ebenfalls im Text: Man hatte den Wunsch nach »forcierter Bereitstellung benötigter finanzieller Mittel«. Mit anderen Worten, es war kein Geld da.
Dennoch trug Prokops Vorarbeit bei der Bestimmung von Verwandtschaftsgraden Früchte. Heute wird die weltweit zentrale Datenbank für eine Unterart genetischer Fingerabdrücke – sogenannte Y-chromosomale Haplotypen – in Berlin an der Charité geführt.
Schon früh führte Prokop Arbeiten gemeinsam mit anderen Forschern durch und tauschte sich über die Ergebnisse aus. Hier eine (für Kriminalbiologen) spannende Tabelle von 1953 mit der Häufigkeit von Blutgruppen aus sieben verschiedenen Arbeitsgruppen. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen waren vergleichbar, so dass man sicher war, korrekt gearbeitet zu haben und vor Gericht zuverlässige Aussagen machen zu können.
Genetische Fingerabdrücke beantworten eine Frage, an der Prokop schon in Bonn forschte: Wie häufig kommt ein bestimmtes, im Blut oder Gewebe vorhandenes biologisches Merkmal vor? Und wie kann man damit eine Vaterschaft oder eine Spur vom Tatort sicher bestimmen und zuordnen? Wie wir es heute durch den direkten Vergleich von DNA -Unterschieden tun, sammelte Prokop schon damals die Häufigkeiten von Blutgruppen, verglich sie mit den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen und konnte so mit verlässlichen Daten Spuren vom Tatort und Vaterschaften untersuchen.
Prokops Vorliebe, dabei zwischen Grundlagenforschung und Anwendung hin und her zu springen, zeigte sich nicht nur bei Vaterschaftsuntersuchungen. Er veröffentlichte auch viele andere zwischen den Disziplinen liegende Versuche und
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