Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
früheren Kaisers Wilhelm II. auf der Strecke.
Der Fall entstand, weil ein als schizophren diagnostizierter Mann mit voller Überzeugungskraft – er glaubte an seine Ideen – behauptet hatte, es gäbe eine Verbindung zwischen dem Magnetismus der Erde und »Kraftquellen« im Weltraum. Dadurch entstehe ein Spannungsgefälle, das sich als 37 Grad Celsius warme Urkraft zeige. Diese Temperaturangabe ist spannend, da sie der Körpertemperatur des Menschen entspricht und somit »messbar« und die Urkraft folglich »beweisbar« wurde.
Prokops Gefecht gegen Paraforscher und Scharlatane nimmt Formen an. Ein besonders verrückter (und für die Gläubigen teurer) Fall bot ihm 1955 Anlass zur Zusammenarbeit mit einer »Anstalt« für seelisch veränderte Menschen, in der Prokop auch Reihenuntersuchungen zu Blutgruppen durchgeführt hat.
Durch »Kugelmotoren« könne man diese Ur-Energie gewinnen. Das hätten dem Erfinder unter anderem Geister und Tote, aber auch seine vierzehnjährige Tochter Anna mitgeteilt. Mit der gewaltigen Kraft, die nun gewonnen würde, sei eine »Neuordnung der menschlichen Gesellschaft« möglich. Leiter dieser Umgestaltung wollte der Erfinder selbst sein.
Der Mann bewarb seine Entdeckungen allerorten. Zeitungen in Holland, Deutschland und Österreich bissen an, und seine öffentliche Bekanntheit stieg. Schließlich trat noch ein Wünschelrutengänger hinzu, der versprach, in einem Aufwasch die »Gräberstadt des Attila« zu erspüren. Sie sollte »in Form des in der Edda [altisländisches Werk aus dem 13. Jahrhundert] erwähnten Baumes Yggdrasil riesenhaft mit Altären, Treppen, Sargkammern, goldenen Säulen und unvorstellbaren Schätzen, mehr als die Bank von Frankreich bergen kann«, vorliegen.
Die gläubigen und geldgierigen Handelsleute witterten ein todsicheres Geschäft und brachten fast zwei Millionen Mark zusammen – eine in der Nachkriegszeit noch bedeutendere Summe als heute. Allein die Erbin einer Apotheke steuerte 400 000 Mark aus dem Verkauf des Geschäfts bei.
»Die Grabungen«, so Prokop und Mitautoren, »wurden mit erheblichem Aufwand – einer großen Kreiselpumpe wegen starken Grundwassers usw. –, aber auch mit Albernheiten (man benutzte einen Staubsauger zum Aussaugen der Grube) betrieben. Sie hatten naturgemäß nicht den geringsten Erfolg.
Es ist erforderlich, dass sich die Behörden mit den Fragen des Okkultismus mehr befassen, dass naturwissenschaftlich geschulte, nichtokkultistische Fachleute in einschlägigen Fällen herangezogen werden. Diese müssen den oft schwer zugänglichen Stoff beherrschen und imstande sein, die gewonnenen Erkenntnisse den Gerichten überzeugend zu vermitteln. Es ist erforderlich, die Okkult-Delikte auf allen Gebieten aktiver zu bekämpfen und derartige Vorgänge auch kriminalistisch aufzuklären.«
Eindrucksvoll an diesem Bericht ist nicht nur die Räuberpistole, die ein Wünschelrutengänger und ein stark fantasiebegabter Mann entwickelten, sondern auch Prokops Wille, mit anderen Forschungsrichtungen zusammenzuarbeiten.
Auch der Begründer der »Anthroposophie«, Rudolf Steiner (1861–1925), hatte einen ausgeprägten Hang zu wirren, erfundenen Denksystemen. Vielen weiteren Menschen mit starker Fabulierlust gelang es, Millionen von Anhängern für sich einzunehmen, darunter Ron Hubbard (1911–1986), der Begründer von Scientology, Joseph Smith (1805–1844), geistiger Vater der Mormonen, und der heilige Franziskus (Franz von Assisi, 1181–1226). Sie alle hatten sehr viel Fantasie, hörten Stimmen (Franziskus) oder erhielten göttliche Meldungen (Smith) und entwickelten daraus umfangreiche religiöse, nicht beweisbare Anschauungen, die viele Menschen anzogen.
Aus einer von Prokops späteren Veröffentlichungen gegen Aberglaube und Scharlatanerie: »Über Blutmystizismus« (1992). Das Buch erschien zunächst nicht bei einem der bekannten Wissenschaftsverlage, sondern beim kleineren, kritisch eingestellten Ost-Verlag Spotless. Die Aufklärung gegenüber Aberglauben war eines der wichtigsten Themen in Prokops Forscherleben.
Vielleicht lag Prokop auch wegen dieser religiösen Zusammenhänge innerlich im Clinch mit der katholischen Kirche. Zwar mied er das Thema im Gespräch; es gibt aber mehrere schriftliche Hinweise darauf, dass Prokop sich »scharf« gegen kirchliche Vorstellungen stellte .
Die Parawissenschaften – ein Thema, auf das man Prokop, wollte man einen ruhigen Abend haben, nicht ansprechen durfte, wie sein Freund Professor
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