Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
im Ausland. Dafür, dass ich vor 1941 acht Kilometer außerhalb der deutschen Reichsgrenzen wohnhaft war, kann ich doch bei Gott nichts.
Feststeht, dass, nachdem ich bereits zweimal den deutschen Staatsangehörigkeitsausweis in Händen hatte, ich jetzt erneut wiederum als Österreicher (oder eventuell Deutscher, was ich ja nicht weiß, da mir unbekannt ist, ob die Ausnahmegenehmigung vom Kultusministerium eingeholt wurde oder nicht) Schwierigkeiten bei den Behörden habe.
Vor einigen Tagen habe ich mich beim Bonner Passamt bemüht, einen Reisepass zu erhalten. Die Ausstellung des Reisepasses wurde mir im letzten Augenblick verweigert, und zwar mit der Begründung, dass ich nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Einmal war ich österreichischer und einmal deutscher Staatsbürger, je nach der Auffassung der jeweiligen Behörde.
Otto Prokop zeigt seinen österreichischen Reisepass. Als ausdrücklich unpolitischer Ausländer, der auch keiner Partei angehörte, konnte er sich frei bewegen. Insbesondere durfte er, anders als die meisten Ostberliner, nach Westdeutschland und mit Ausländern oder Westdeutschen nach Brandenburg in seine Datsche fahren. Dort wurde für ihn auch schon mal ein See abgesperrt, wenn er Wasserski fahren oder schwimmen wollte.
Mit der Ernennung zum Beamten auf Widerruf vom 16. März 1953 bin ich gemäß Mitteilung des Kultusministeriums aufgrund des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes endgültig deutscher Staatsangehöriger geworden. Jetzt wird diese Staatsangehörigkeit jedoch wieder angezweifelt und man weigert sich sogar, mir einen Reisepass auszustellen.«
Das Theater ging Ende 1954 unerwartet zu Prokops Gunsten aus. Immer noch mit dem Aktenzeichen 125/11 wurde Prokop offiziell »in den deutschen Staatsverbund« eingebürgert, und zwar rückwirkend zum 16. März 1953. Man hatte sich im Kultusministerium auch ohne gerichtliche Klage noch einmal gekümmert und einen Gerichtsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Oktober 1954 aufgestöbert. Darin war entschieden worden, dass »gebürtige Österreicher, die im Zeitpunkt der Wiedererrichtung der Republik Österreich im Gebiete der jetzigen Bundesrepublik Deutschland leben und hier geblieben sind, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen«. Ohne diesen Gerichtsentscheid wäre Prokops Leben anders verlaufen, weil er ohne die nun möglichen beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten im Beamtenapparat an der Universität nie genügend verdient hätte, um eine Familie zu ernähren.
Dass Prokop also einen westdeutschen, vermutlich einen ostdeutschen und garantiert einen österreichischen Ausweis hatte, war seiner Fähigkeit zum Lavieren und Taktieren geschuldet. Ein guter Schuss rheinischen Klüngels, wie er ihn in Bonn und von seiner ripuarischen Frau gelernt hat, wird dabei auch eine Rolle gespielt haben. Trickreich und typisch rheinisch ist jedenfalls Prokops umgekehrte Beweisführung ans Amt, dass er – da er ja vorläufig beamtet worden sei, was auch nur halb stimmte – eben Deutscher sein müsse . Diese von hinten aufgezäumte Begründung wurde zwar von den Behörden nicht anerkannt, führte aber dazu, dass sein Anliegen weiter bearbeitet und zuletzt positiv beschieden wurde.
Gegen Ende seines Lebens sprach Prokop mir gegenüber nur noch von seinem österreichischen Pass, den er auch gerne vorzeigte . Seine deutschen Ausweise waren kein Thema mehr.
Prokop gegen den Wahnsinn
In Bonn forschte Prokop wirklich, wie von seinen Prüfern schon festgestellt, »fleißig«. Und er veröffentlichte noch fleißiger. Angestachelt von der Auseinandersetzung mit Wünschelrutengängern, Erdstrahlengläubigen und Homöopathen publizierte Prokop bereits über sein großes Thema, die Ablehnung und vor allem Widerlegung von parawissenschaftlichen Vorgängen.
Beispielhaft dafür ist ein Artikel aus dem Jahr 1955 im Archiv für Kriminologie , den Prokop in Zusammenarbeit mit der Landesheilanstalt in Bonn verfasste. »Prominente Persönlichkeiten der Wirtschaft und Politik schenkten völlig kritiklos der Wünschelrute Glauben«, berichten Prokop und Mitautoren über einen besonders verrückten, paranormalen Betrug. »Sie hofften, durch Hebung eines Schatzes Millionen zu verdienen, verloren aber stattdessen Hunderttausende. Der Fall endete mit Konkursen, Zusammenbrüchen, Zwangsversteigerungen und Vertreibungen von Haus und Hof.« Die geleimten Persönlichkeiten waren wirklich prominent: Unter anderem blieb ein dicker Batzen Geld des
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