Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
eine, die es mittels einer kleinen Trickkiste erlaubte, Geisterbilder aus der geschlossenen Hand in einen abgedunkelten Raum zu projizieren. »Von Zeit zu Zeit sind solche [aufklärerischen] Bilanzen nicht unter der Würde eines Naturwissenschaftlers. Denn im Endeffekt hat er auch eine psychohygienische Aufgabe, die er je nach Charakter wahrnimmt. Für einen Universitätsprofessor, der die Jugend auszubilden hat, gibt es einen beruflichen und sittlichen Auftrag dazu«, so Prokop.
Der Kampf gegen Parawissenschaften zog sich als roter Faden durch Prokops Leben. Andere haben hierfür hohe Ehrungen erhalten, darunter beispielsweise James Randi (geb. 1928), der eine Million Dollar für den Beweis eines übersinnlichen Ereignisses ausgesetzt hat. Es ist verwunderlich, dass Prokop im skeptischen Forschungsbereich nie die Anerkennung erfahren hat, die sein jahrzehntelanger Kampf verdient hätte. Einer der Gründe dafür ist sicher, dass er nicht in Westdeutschland und erst recht nicht in den USA ausführlich wirken konnte, nachdem er sich einmal für die Arbeit in Ostdeutschland entschieden hatte.
Doch noch einmal zurück in die 50er Jahre, wo wir Prokop noch immer im Bonner Institut für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik antreffen.
Der Osten ruft
Prokops Gehalt hatte sich ab Januar 1955 von 866 auf 879 D-Mark erhöht. Ab Dezember 1955 erhielt er einen Wohngeldzuschuss und Kindergeld, so dass er schließlich einen Betrag von 970,50 Mark und ab Juni 1956 1010,50 Mark verdiente. Er wohnte mit seiner Familie nun in der Renoisstraße 57 im Bonner Universitätsviertel. Das Leben lief in geregelten Bahnen, bis es am 7. November 1956 unruhig wurde.
Prokop erfuhr an diesem Tag aus Berlin, dass er zum »Professor mit Lehrstuhl für das Fach Gerichtliche Medizin« berufen worden war. Es musste schnell gehen, denn er sollte die Stelle schon zum 1. Januar 1957 antreten. Um die Vorlesungen in Bonn zu Ende zu bringen, musste er seinen Arbeitsbeginn in Berlin auf den 1. Februar 1957 verschieben.
Dass Prokop nach Ostdeutschland ging, hatte viele Gründe. Vor allem schmeichelte es ihm, mit Mitte dreißig einen prestigeträchtigen Lehrstuhl zu erhalten, an dem sein Forschungsdrang anders als am kleinen Bonner Institut durch nichts mehr eingeschränkt war. Zweitens war Prokop in Österreich in ständiger Sorge seiner Mutter um die Ernährung ihrer Kinder aufgewachsen. Da Prokop nun selbst Familienvater war, freute er sich über eine sichere Position, in der es garantiert keinen Ärger mehr wegen behördlicher Nickeligkeiten, der Staatsbürgerschaft oder ähnlichem Kleinkram gab.
Jahrzehnte später hat Prokop teils enttäuscht, teils entschuldigend einen anderen Grund dafür genannt, warum er in den Osten gegangen sei: Sein Kollege Paul Martini, ein hochangesehener, forschender Arzt aus Bonn, habe ihm dazu geraten .
Paul Martini (1889–1964)
Der klinische Pharmakologe und Kardiologe Paul Martini war erstens katholisch und zweitens Gegner der Nazis. Den Ersten Weltkrieg hatte er als Soldat erlebt, danach wurde er Mitglied eines paramilitärischen Freikorps. Nachdem er als Oberarzt an der Universitätsklinik München gearbeitet hatte, wurde er dort 1926 außerordentlicher Professor und 1927 Chefarzt in Berlin. 1932 wechselte er auf den Lehrstuhl für Innere Medizin an der Universität Bonn. Im Zweiten Weltkrieg war er wieder Soldat; 1953 wurde er zum Rektor der Universität Bonn gewählt.
Martini glaubte fest daran, dass sich »seine« Universität Bonn vom nationalsozialistischen Gedankengut »reinigen« könne, da viele Menschen sich ohnehin nur unter Druck dem NS-Regime gebeugt hätten. Den Alliierten sprach er nach dem Krieg – in Briefen, die er an die US-Militärregierung richtete und dort auch einreichte – ab, sich in das Problem hineindenken zu können. Wer selbst noch nie die »Feuerprobe« gegen »Druck- und Erpressungsmittel einer Tyrannis« erlebt habe, könne nicht sicher sein, ob er nicht selbst nachgegeben hätte. Nationalsozialistischen Mitläufern wollte er daher eine Chance geben.
Martinis Einsatz zeigte Wirkung: Schon im Herbst 1945, also im Jahr des Kriegsendes, wurde die Medizinische Fakultät der Universität Bonn wieder eröffnet. 1948 sprach er auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin offen aus, dass die Mediziner, die beim Nürnberger Ärzteprozess (1946-1947) angeklagt waren, genauso Teil der Medizin ihrer Zeit gewesen seien wie die beim aktuellen Kongress anwesenden Ärzte. Das
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