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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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noch nicht erwähnten Abteilung XVIII des MfS. Sie beschäftigte sich mit der Volkswirtschaft in Ostdeutschland und deren Aufrechterhaltung. Prokop hatte – meist ohne sein Wissen – mit dieser Abteilung zu tun, weil er angesichts der mangelhaften Ausstattung seines Instituts zu Selbsthilfemaßnahmen griff.
    An dieser Stelle ein persönliches Wort, das vor allem Leser verstehen werden, die Prokop kannten. Sein oben zitierter Appell an die »besten Freunde vom MfS« ist sicher nicht als Herzensäußerung anzusehen. Wie man auch am charmant-anbiedernden Schreiben an seinen Nachbarn wegen der Sat.1-Antenne und im Interview mit seinem Freund Professor Uhlenbruck erkennt , bemühte sich Prokop stets, seine Zuhörer – und eben auch diejenigen, die etwas zu sagen hatten – für seine Ziele einzunehmen. Allein die Tatsache, dass er sich seinem jedermann als Stasi-Zulieferer bekannten Fahrer derart anvertraute, spricht für sich. Er wusste, dass der Fahrer, den er in brenzligen Momenten auch schon mal vor die Tür setzte, seine Informationen ans MfS weiterleiten würde.

Mit Schirm, Charme und einem Koffer voller Seren
    Schon Ende der 70er Jahre saß Otto Prokop sichtlich in der Klemme. Sein ansonsten sehr gut aufgestelltes Labor konnte sich die international verwendeten, zunehmend teuren Biochemikalien allmählich nicht mehr beschaffen.
    Einer der Gründe dafür war der schlechte beziehungsweise nicht vorhandene Wechselkurs der Ostmark: Das Geld war weder im Außenhandel noch im privaten Reiseverkehr außerhalb Ostdeutschlands verwendbar oder umwandelbar. Die Ausfuhr von DDR -Mark war unter Strafe verboten.
    Dennoch war die Ostmark »konvertierbar«. Am einfachsten konnte man sie gegen Währungen der östlichen Partnerländer umtauschen. Die Sowjetunion war aber nicht an einem technischen Aufstieg Ostdeutschlands und anderer Länder des sozialistischen Einflussbereichs interessiert, weil sie selber Umsätze – auch im befreundeten Ausland – erzielen wollte. So kam es in den technischen Biowissenschaften in Ostdeutschland zu einer Todesspirale: kein Geld, keine Forschung, keine Produkte, die Geld erbringen, keine Forschung und so weiter …
    Man behalf sich zwar mit den in Ostdeutschland verbreiteten Methoden der gegenseitigen Hilfe, des Tüftelns und Bastelns. Dadurch kam es zu teils beeindruckenden Gerätekonstruktionen. Bio-Chemikalien ließen sich auf diese Art aber nicht zusammenschrauben.
    Prokop hatte daher eine gute Idee, die er in gewohnter Manier nassforsch umsetzte. Durch Kontakte unter anderem zur Firma Fresenius konnte er dort benötigte Seren im Osten herstellen und im Westen verkaufen. Prokop reiste mit einem Koffer voller Substanzen los und übergab den Inhalt gegen bare D-Mark. Das begehrte Westgeld leitete er – »ohne auch nur eine D-Mark [davon privat] angenommen und für mich verbraucht zu haben; ich habe nur eine Einladung zum Kaffee angenommen« – an die Charité weiter.
    »Ich lege das schriftlich nieder und versichere«, so Prokop im Jahr 1982, »dass ich nur die Interessen unserer Universität im Auge habe. Ich schreibe das, weil ich aus Erfahrung weiß, dass Hochschullehrer gelegentlich verdächtigt werden, für sich wirksam zu werden. Das ist in den 30er Jahren gegen den berühmten Fritz Schiff (jüdischer Bürger) ausgespielt worden, und auch ich wurde schon einmal verdächtigt. Ich erwarte also absolutes Vertrauen. Die Parteigruppe im Institut ist in Einzelheiten informiert. Ich hoffe, dass ich Ihre Anregungen bezüglich Ökonomie damit richtig befolge. Ich bitte Sie aufrichtig, mir Meldungen, Berichte oder Administrationen zu ersparen; ich bin mit Arbeit übergenug eingedeckt.«

    Der Zusammenstoß mit anderen Abteilungen des MfS war vorprogrammiert. So nebenbei, wie Prokop die Bild-Zeitung morgens über die innerdeutsche Grenze tragen konnte, ging es mit hohen Devisenbeträgen in bar nicht. Zur groben Einordnung: Hätte man den typischen Betrag eines solchen Serenverkaufs, hier 5 000 West- in Ostmark, umgetauscht, wären dabei fast fünf Jahreseinkommen einer ostdeutschen Verkäuferin herausgekommen. Kein Wunder, dass es Stress gab. Ein Stasi-Informant schätzte den von Prokop allein im Jahr 1982 mit den Firmen Biotest und Fresenius erwirtschafteten Betrag auf 12 000 Westmark.

    Prokop gelang es hin und wieder, das System mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Da er »mit Arbeit übergenug eingedeckt« war und keine »Meldungen, Berichte oder Administrationen« für die von ihm

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