Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
rechtsmedizinischer Kongress mit vielen internationalen Gästen statt . »In Würdigung des Ehrentages, vor allem als Dank und Anerkennung dieses vorbildlichen kameradschaftlichen Zusammenwirkens, wird vorgeschlagen, die Glückwünsche unseres Ministeriums in mündlicher Form zu übermitteln und ihm dabei ein dem Anlass entsprechendes Geschenk zu übergeben«, so die Anregung der Abteilungen IX und XX , also der beiden unter anderem für Ermittlungen im Bereich Kriminalität und Mauertote zuständigen Einheiten. »Nach unserer Information würde er sich sehr über ein mehrteiliges Kaffeeservice (Meißner Porzellan) freuen.«
Otto Prokop war geschmeichelt: In der DDR wurde eine Münze mit seinem Konterfei geprägt.
Wie »kameradschaftlich« und »vorbildlich« das Zusammenwirken des MfS mit Prokop im Einzelnen war, ist unbekannt. Die von mir befragten Personen aus seinem näheren Arbeitsumfeld machten dazu keine Aussagen und gehen seit Jahren auf Tauchstation, wenn sie mich nur auf der Straße sehen. Dass die Berliner Rechtsmediziner mit dem MfS bei der Bearbeitung von Todesfällen und Verbrechen zusammenarbeiteten, ist völlig klar. Es gab weder die Möglichkeit, zum MfS nein zu sagen, noch bestand der Wunsch danach. Dass es Prokop neben den gerne entgegengenommenen Ehrungen (und dem Kaffeegeschirr) bei seinen MfS-Kontakten vor allem um die Stärkung der Wissenschaften ging, ist aktenkundig. Er bemühte sich unermüdlich darum, drang aber nur selten durch.
Ende Oktober 1984 berichtete Prokop seinem Fahrer beispielsweise »in völliger Niedergeschlagenheit ob der Rückständigkeit des sozialistischen Lagers in punkto Medizin Folgendes: ›Auf dem medizinischen Gebiet, speziell auf dem Immunsektor, sind wir zwanzig Jahre im Rückstand.‹
Er war jetzt drei Tage zur Leopoldina [wissenschaftliche Fachgesellschaft] in Halle. Auf der Leopoldina waren etwa zweihundert Personen, darunter Koryphäen aus dem Ausland, Nobelpreisträger usw.
Professor Prokop meinte, wir können auf dem Gebiet der Forschung diese Leute nicht mehr einholen. Diesen Leuten stehen zu viele elektronische Computer und andere Rechner zur Verfügung.
Schon, um Forschungen in seinem Institut durchführen zu können, muss er bei der Firma Fresenius sowie bei der Firma Biotest [beides Firmen im Westen] anfragen, um irgendwelche kleinen Serumwünsche, die er hat, erfüllt zu bekommen, damit er seine Forschungen weiter betreiben kann.
Auf der Leopoldina hat er als Schlussredner versucht, mit verschiedenen Gags sowie einer Schau, die er ja versteht abzuziehen, die Leute noch einmal in seinen Bann zu bekommen und damit für die Medizin in der DDR eine Bresche zu schlagen.
Es ist nur katastrophal, so sagte er. Er wollte schon am ersten Tag wieder abbrechen und sich krank melden, denn Professor Prokop meinte, man muss doch auf einer solchen Veranstaltung etwas Neues bringen, was in der Welt akzeptiert und anerkannt wird. Das ist nicht geschehen, sie haben uns um ein Vielfaches überboten, und das ist für Professor Prokop eine sehr traurige Bilanz.
Er meinte, es gibt hier in unserer Republik zu wenige Leute, die rational denken. Die Sowjetunion steht an erster Stelle, und er hoffe nicht, dass die SU der DDR Steine in den Weg legt, um die SU nicht zu übertrumpfen.
Er ist ja seit Jahren unglücklich darüber, dass er, wenn er einmal mit sowjetischen Professoren und Wissenschaftlern zusammenkommt, diese sehr, sehr freundlich sind, sich bei ihm für die geringste Kleinigkeit bedanken und ihn, wenn sie dann in die SU zurückgefahren sind, niemals mehr anschreiben, ihn niemals mehr anrufen, und der Kontakt zur SU völlig verloren ist. Warum das so ist, kann er sich nur denken. Darüber möchte er aber weiter nichts sagen.
Aber da ich ja seine Meinung kenne: Es ist die, dass er annimmt, das man Kontakte von Seiten der Sowjetunion in die DDR auf diesem Sektor unterbinden will, um den Wissenschaftlern der SU auf keinen Fall zu zeigen bzw. ständig zu zeigen, dass die DDR doch auf vielen Gebieten weiter ist als die Forschungen in der Sowjetunion. 1
Prokop meinte auch abschließend wieder, und das ist ja das Thema Nummer eins, seine besten Freunde seien die Freunde vom MfS. Da sind doch Leute dabei, die noch national denken, das heißt im Sinne der DDR arbeiten und die ihm auch Unterstützung gewähren.
Hätte er diese Freunde nicht, wäre sein Institut schon verboten, von Weltruhm keine Spur mehr.«
Diese Aussagen Prokops landeten sofort in der bisher hier
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