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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Medizin
    Otto Prokops bekannteste Veröffentlichung war nicht sein in Ostdeutschland weit verbreitetes Lehrbuch der Rechtsmedizin, sondern ein Foto-Atlas. Das mächtige Nachschlagewerk fußte auf der Zusammenarbeit mit Professor Waldemar Weimann (1893–1965). Er war der erste Direktor des Landesinstitutes für Rechtsmedizin im späteren Westberlin. Der Atlas wurde dennoch im Osten verlegt.
    Als das rechtsmedizinische Foto-Buch 1963 zum ersten Mal erschien, war der in Köln geborene Weimann schon seit fünf Jahren im Ruhestand. Er kannte das Charité-Institut für Rechtsmedizin aber gut, weil er dort bis 1930 unter dem sehr bekannten Rechtsmediziner Fritz Straßmann (1858–1940) gearbeitet hatte. Zudem nutzte er später das Leichenschauhaus in der Hannoverschen Straße für Sektionen seines Landesinstitutes, das sich etwas abgelegen in Moabit befand. Die Zusammenarbeit zwischen den Ost- und Westberliner Rechtsmedizinern Prokop und Weimann war so gut und fruchtbar, dass sie bis heute nachwirkt: Viele Kollegen und ich verwenden das Buch der beiden immer noch gern.
    Der Atlas ist aber nicht einfach eine Sammlung von Verletzungen und Fällen. »Die Gleichförmigkeit der Welt ist geradezu ein Steckenpferd von mir«, berichtete Prokop dazu im Jahr 1996 dem Journalisten Thomas Grimm. »Deswegen habe ich auch den ›Bildatlas der Gerichtsmedizin‹ zusammen mit Weimann und dann mit Radam aufgebaut. Ein im Fach noch unerfahrener Gerichtsarzt, der dieses Buch am Beginn seiner Tätigkeit liest und die Bilder dazu ansieht, vermutet erst, dass hier besondere Fälle dargestellt werden, aber schließlich wird er das Vorwort zu diesem Buch verstehen.«

    Dieses Buch brachte Prokop in der deutschsprachigen rechtsmedizinischen Fachwelt, aber auch bei Polizei, Feuerwehr und in benachbarten Feldern größte Bekanntheit: die Macht des Bildes. Sogar Künstler raunten von dem Buch und verwendeten es als Vorlage. Hier die dritte Auflage (1992).
    Darin hatten Weimann und Prokop geschrieben, dass sie »die feste Überzeugung haben, dass bei Kapitalverbrechen in Zukunft schon durch einfachen Vergleich der Auffindungssituation und gerichtsmedizinischen Befundberichte im Zweifelsfall eine einfachere Einrangierung möglich sein wird. Darum scheuen wir auch nicht davor zurück, manche Fälle zu demonstrieren, die sich geradezu aufs Haar gleichen.«
    Auch in einer anderen Sache erkannte Prokop Gleichförmiges. »Straftäter glauben oft«, so Prokop, »dass die von ihnen ausgedachte Methode so raffiniert ist, dass niemand dahinterkommt. Sie wissen natürlich nicht, dass ihre Begehungsart schon von zahlreichen Vorgängern gleich oder ähnlich ausgedacht worden ist. Selbst der Fachmann wird staunen, ›seinen‹ neuen Fall irgendwo wiederzufinden. Früher oder später wird er auch, wenn er zum Beispiel Fälle von Aberglauben, Mystizismus oder alternativer Medizin zu bearbeiten hat, alles wiederfinden, was schon tausende Jahre alt ist.«
    Prokop hatte seit seiner Jugend begeistert fotografiert und kannte sich – zusätzlich geschult durch Material- und Geldmangel – mit fotografischen Techniken sehr gut aus. Besonders für den jugendlichen Prokop war Filmmaterial sehr teuer. »Als ich studiert habe in Wien«, so Prokop, »hatte ich ja kein Geld. Ich kam vom Arbeitsdienst zurück und habe in der Porzellangasse 9 im neunten Bezirk gelebt. Ich glaube, das Zimmer kostete damals acht Mark im Monat. Das war also zu machen. Aber woher das Geld bekommen? Ich habe bei einem Fotografen in der Porzellangasse gearbeitet und habe für ihn Filme entwickelt und vergrößert.« Auch in Bonn finanzierte Prokop seine Miete anfangs noch durch seine Tätigkeit als Fotograf, allerdings schon sehr bald in der Universitäts-Pathologie und Rechtsmedizin.

    Prokops Mitstreiter beim »Altas der gerichtlichen Medizin«: Waldemar Weimann, im Jahr 1937 Gründer des Gerichtsmedizinischen Instituts des Stadtgesundheitsamtes von Berlin und Leiter der Westberliner Rechtsmedizin bis 1958.
    Sogar seinen späteren Chef Wilhelm Ceelen, Leiter der Pathologie in Bonn, oder danach seinen Chef Herbert Elbel, Leiter der Rechtsmedizin, hatte Prokop kennengelernt, weil er stets seinen Leica-II-Fotoapparat bei sich trug. Einer der beiden Professoren sprach Prokop, der damals in einem ausgedienten Bunker wohnte und auf dem Schwarzmarkt handelte, deswegen in einem Restaurant an und fragte ihn, ob er nicht Fotos für das Institut anfertigen könne. Prokop sagte zu und kam so an seine erste

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