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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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1976 meldete beispielsweise die Abwehr-Abteilung (Abt. XX ) an die MfS-Dienststelle in Gera, dass Prokop »bestätigter Reisekader« sei und die Zentrale Ermittlungsabteilung (Abt. IX ) »engen offiziellen Kontakt« mit dem Professor halte. Auch hier kam der Prokop entlastende Bescheid wieder von ganz oben – direkt vom Schreibtisch des Abteilungsleiters in der Berliner MfS-Zentrale.

    Was Professor Uhlenbruck ins Schwitzen brachte, brauchte Otto Prokop nicht zu fürchten: Er hatte nicht nur einen österreichischen Pass, sondern auch von Seiten der Stasi einen Freifahrtschein. Prokop war »bestätigter Reisekader« auch ins »nichtsozialistische« Ausland und hatte »engen offiziellen Kontakt« zur Abt. IX des MfS. Das war die Untersuchungsabteilung für Brände, Explosionen, Straftaten wie Raub und Entführung, interne Untersuchungen gegen MfS-Mitarbeiter einschließlich Gegenspionage sowie für die Untersuchung der »Mauertoten«.
    Dass das MfS die Nähe zu Prokop suchte, lag an seiner Arbeit mit Toten. Da bestimmte Fälle – etwa die Mauertoten – zwangsläufig von der Stasi bearbeitet wurden, war der Kontakt wie gesagt zwingend vorgeschrieben. Zwar wurden erkannte, verdächtige Leichen vorab »gesondert«, also vom MfS, untersucht, doch das war nicht immer der Fall. Laut Akten fürchtete niemand eine Spionagetätigkeit Prokops, und sein Rat wurde gern eingeholt.
    Dass das MfS Prokop vertraute, sieht man auch daran, wie frei er sich bewegen konnte. Er spazierte beispielsweise morgens zu Fuß von Ost- nach Westberlin und besorgte die in Ostdeutschland offiziell verhasste und nicht geduldete Bild-Zeitung (Slogan: »Die Wiedervereinigung Deutschlands – das ist unser Auftrag!«). Prokop brachte die Bild sogar in die MfS-nahe Ausbildungsstätte für Kriminalistik an der Humboldt-Universität und zeigte sie dort in der Vorlesung vor . Dergleichen Freiheiten genoss im Umfeld Prokops niemand. Noch heute ist das Staunen der Menschen, die solche Aktionen Prokops miterlebten, in Gesprächen zu spüren.

    Widmung von Prokop an »Minister Fritz Mielke zum Geburtstag mit ergebenstem Dank für Unterstützung«. Das für den Minister für Staatssicherheit völlig unverständliche Fachbuch stand bis zu Mielkes Verurteilung wegen Mordes (1993) in dessen Wohnung. Auffällig ist der etwas karge Ton der Widmung Prokops an Mielke – welche Unterstützung genau meinte er? Prokop versuchte immer wieder, das MfS für seine wissenschaftlichen Zwecke einzuspannen und zur Hilfe zu überreden. Das misslang aber weitgehend: Prokop äußerte sich auch gegenüber dem MfS verzweifelt über den Niedergang der biomedizinischen Wissenschaften in Ostdeutschland.
    Mit seinem guten Freund Professor Uhlenbruck aus Köln fuhr Prokop in seine Datsche außerhalb Berlins. Uhlenbruck schwitzte bei der Fahrt aus Ostberlin Blut und Wasser – wäre er bei einer solchen Spritztour überprüft worden, hätte größter Ärger aus Ost und West gedroht. Doch Prokop konnte sich sicher sein, dass er nicht belangt werden würde. Der Schirm, den er über sich, seine Freunde und Mitarbeiter aufgespannt hatte, wirkte zuverlässig. Zudem hatte Prokop Privilegien: Wenn er baden oder Wasserski fahren wollte, wurde schon mal der ganze See vor seiner Datsche für ihn gesperrt.
    Welche Kompromisse oder Arrangements Prokop im Einzelnen traf, treffen wollte oder musste, ist unbekannt. Er scheute jedenfalls nicht die Nähe und das Gespräch mit den MfS-Dienststellen, besonders der für Ermittlungen zuständigen Abteilung IX .
    Ob er die Stasi mochte, ist eine andere Frage. Eine Widmung an MfS-Chef Mielke aus dem Jahr 1970 ist jedenfalls auffallend karg: Prokop dankt ihm »für Unterstützung« – aber für welche? Auch die Auswahl des Buches, von dem Mielke keine Silbe verstehen konnte, zeigt Prokops Ziel an: darzustellen, was er und andere wissenschaftlich leisteten. Das soll Prokops etwas leichtfüßigen Umgang mit dem MfS nicht verharmlosen. Allerdings habe ich genügend Widmungen Prokops gesehen, die ehrlicher und herzlicher waren als die an Mielke .

Eine Frage der Ehre
    Otto Prokop stand beim Ministerium für Staatssicherheit auf der Vorschlagsliste für Ehrungen immer wieder weit oben. Als im Jahr 1980 der »dreißigste Jahrestag der Bildung des MfS« anstand, schlug der Leiter der Untersuchungsabteilung IX des MfS vor, neben hochrangigen Juristen auch Otto Prokop zu ehren. Während Staatsanwälte »Verdienstmedaillen« der Armee, »Kampforden für Verdienste um

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