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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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mittels eines Köfferchens getätigten Verkäufe von Seren schreiben wollte, die Charité aber andererseits auch nicht einfach für die damalige Zeit gewaltige Summen in der Schublade lagern konnte, musste die Scheinfirma »Transcommerz« einspringen.
    Das Geld wollte Prokop für Güter verwenden, die er nur gegen Devisen kaufen konnte. Die Universität kam trotzdem ins Schwitzen. Also musste das MfS eine Scheinfirma bemühen, um die Geldeingänge korrekt abzuwickeln. Es ging nach einigem Hin und Her gut aus: »Ich benutze die Gelegenheit«, schrieb der Prorektor des Bereichs Medizin der Charité 1983 schließlich höflich an Prokop, »mich für Ihre vielen Initiativen auf dem Gebiet [der Devisengewinnung], zugleich auf weitere hoffend, zu bedanken.«
    Wegen der nun offiziellen Abwicklung fürchteten allerdings Prokop und die Westfirmen, dass sie das Geld und die Waren möglicherweise nicht mehr am westlichen Finanzamt und sicher nicht mehr an den östlichen Handelsbehörden vorbeischmuggeln könnten. »Ich komme da nicht mehr mit«, sagte Prokop seinem V-Mann, »denn wir brauchen doch jede D-Mark. Das Ganze könnte noch jahrelang laufen, wenn nicht irgendwelche Zwischenfälle passieren.« Auch seine Kooperationspartner an den Universitäten Magdeburg, Jena und Rostock waren nicht begeistert, dass nun alles unter den Augen des MfS offiziell ablaufen sollte.
    Wie eng es finanziell wirklich war, erkennt man auch daran, dass Prokop sich 1984 nicht nur seinen Fotokopierer, sondern auch das Kopierpapier von westlichen Firmen spendieren lassen wollte beziehungsweise musste. Zwar hatte er in Schwaben ein Konto für Tantiemen von westlichen Verlagen, das über einen Bekannten in Stuttgart lief, aber Prokop lieferte zumindest das für die Universität erwirtschaftete Geld stets getreulich bei der Charité ab. Auch Abwerbungsversuchen aus dem Westen, die es nach Aktenlage mit großer Wahrscheinlichkeit gab, widersetzte sich Prokop trotz des ihm angebotenen Geldes. Man deutete ihm beispielsweise an, dass er im Westen problemlos einen Mercedes-Benz erhalten könnte, der mit seinem ostdeutschen Gehalt doch nicht zu kriegen sei.
    Stattdessen versuchte Prokop, durch wissenschaftliche Kooperationen den Kopf international hochzuhalten. Seine größte Hoffnung galt dabei den von ihm und Professor Uhlenbruck intensiv erforschten Lektinen . Wie es auch heute noch in den Biowissenschaften oft nötig ist, bemühte sich Prokop, dabei einen Dreh zur Krebsbekämpfung zu finden.
    In einer Arbeit aus dem Jahr 1977 zeigte beispielsweise ein gesamtdeutsches Forschungsteam, in dem auch Uhlenbruck und Prokop arbeiteten, dass sich anhand eines Lektins aus der Malayischen Mokassin- oder Grubenotter – einer Giftschlange – im Labor Tumorzellen von gesunden Zellen abtrennen lassen. Die Verwendung von Lektinen war dabei praktisch, weil die normalen Blutgruppen A, B, 0 und so weiter auf Tumorzellen nicht anzutreffen waren. Da Prokop wusste, wie man Zellen, die Blutgruppen trugen, herausfischen konnte, galt seine Neugier nun auch anderen Zellarten.

    Die Professoren Uhlenbruck und Prokop in der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin.

    »Dieses Bild liebte Otto Prokop besonders«, schrieb mir Gerd Uhlenbruck, der hier neben Professor Prokop auf Weinbergschneckenjagd ist. »Es stammt aus dem Jahr der Helix-Lektine-Entdeckung. Wir suchten dort Schnecken: Otto sportlich, ich spießig.«
    Es dürfte ein großes Hindernis gewesen sein, dass Prokop diese Arbeiten nicht in internationalen Zeitschriften und auf Kongressen veröffentlichen konnte, sondern sie nur in einer ostdeutschen Zeitschrift in deutscher Sprache und mit sehr kurzen englischen und russischen Zusammenfassungen erschienen. Meiner Erfahrung nach entstehen gerade auf wild zusammengewürfelten Kongressen besonders spannende Ideen für unser zwischen allen Forschungsrichtungen angesiedeltes Fach. So haben beispielsweise zwei Kollegen und ich in einem ungeplanten Brainstorming eine Methode erdacht, wie man die Immunzellen eineiiger Zwillinge und sogar von geklonten Menschen aus deren Blut – und damit auch aus Blutspuren vom Tatort – unterscheiden kann. Mit normalen genetischen Fingerabdrücken gelingt das nicht, denn eineiige Zwillinge haben in allen Zellen dieselbe Erbsubstanz – außer eben in bestimmten Immunzellen. Allein wäre ich niemals auf diese forensische Anwendung gekommen, so naheliegend sie auch ist. Zu dritt war es hingegen ein Zuckerschlecken.
    Prokop jedoch war sowohl von

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